Warum das Pferd zum Reiten ein anderes Gleichgewicht braucht?

Das „rohe“ Pferd fällt beim vorwärts-Bewegen in die Bewegung hinein (ziehe Zeichnung). Da ein natürliches Pferd die meiste Zeit mit dem Fressen vom Boden beschäftigt ist, prägen sich die Strukturen dementsprechend aus und formen das Skelett des Pferdes auf diese Weise. Zum „Geritten werden“ braucht das Pferd allerdings ein ganz anderes Gleichgewicht seines Körpers – eines, dass den Pferdekörper von hinten in die Bewegung „hineinträgt“.

„Natürlich“ Vorhandlastig
Tatsächlich geht das rohe Pferd erst mal mehr oder weniger auf der Vorhand, und mehr oder weniger „gebogen“, vor allem wenn die Natur wenig Anlässe oder Anreize zu einer Gewichts- und Aufmerksamkeitsverschiebung – nach rückwärts Richtung Kruppe bietet. In der Natur mag das ausreichen, nicht aber für eine zusätzliche Last auf seinem Rücken (dem Menschen).

Das Pferd fällt nach vorne in seine Bewegung hinein
Die überwiegend vornüber gebeugte Körperposition, die das Pferd beim Fressen einnimmt, fördert nicht gerade eine aus dem Becken (dem Motor der Bewegung) kommende, tragende, aufrichtende Fortbewegung mit Rückentätigkeit. Eine schnelle Vorwärtsbewegung in der Natur wird zu einem „Hineinrennen“ in eine Bewegung, bei dem die Bremse fehlt und irgendwann aufhört. Das ist auch bei Rennpferden zu beobachten, bei dem der Rennsitz des Menschen die Schubkraft des Pferdes ausnützt und die Hinterhand, unterstützt vom freien Rücken des Pferdes ungehindert arbeiten kann.

Natürlich kann man sich als Mensch auch auf das „rohe“ Pferd schwingen, und das Pferd in seinen Bewegungen einfach begleiten. Die Mongolen und die Csikós in Ungarn machen es eindrucksvoll vor.

Für ein feineres, gezielteres und bewusstes Reiten oder wenn man einfach nicht so viel Fläche um sich herumhat, ist das „natürliche“ Reiten, das sehr auf die Gutwilligkeit des jeweiligen Pferdes angewiesen ist, nicht wirklich geeignet – oft sogar ein gefährliches Kamikaze-Unternehmen, wenn an der nächsten Ecke eine Straße „lauert“.

Aber es hat noch einen anderen Grund, warum das Pferd seit Jahrtausenden – fast unverändert – zuerst in seinen Körper und in seinen Bewegungen ausgebildet wurde. Denn der Pferdekörper ist, solange er in seine Bewegung „hineinfällt“ nicht dafür gerüstet, um sich verletzungsfrei an die Last des Menschen anzupassen. Vielleicht schafft man es ja mit mehr oder weniger sanfter Gewalt, die aber wiederum jede Menge Kompensationsmechanismen im Pferdekörper hervorrufen, reflexhafte Steuerungen (Flucht- und Stressverhalten) am Leben erhalten und immer wieder neu befeuern.

Durchlässigkeit
Das „Geritten werden“ erfordert für das Pferd den koordinierten, durchlässigen Einsatz aller Körperteile im Gleichgewicht. Bei einem rohen Pferd sind viele der dazu beteiligten Vernetzungen noch nicht „ausgebildet“ – und weil sie einfach fehlen, belasten sie den Organismus des Pferdes.

Eine gesunderhaltende Pferdeausbildung besteht also aus einer Gewichtsverschiebung oder besser gesagt, aus einer Lastverschiebung – das Gewicht des Pferdes bleibt ja gleich – bei der die Bewegung aus der Hinterhand kommt, sich von hinten in die Bewegung hinein trägt und das Pferd sich dabei allmählich vorne aufrichtet, was nichts anderes bedeutet, als dass der Thorax des Pferdes in einer feinen Balance abgefedert wird.

Dabei bildet sich auch die Rückentätigkeit des Pferdes aus, die das Pferd in den Gelenken elastisch und feinmotorisch macht. Der Hals richtet sich aus der Halsbasis auf, (ohne Hervortreten der Halsmuskeln und ohne scharfe Abgrenzung gegen Widerrist und Rücken). Hippologen bildeten dafür den Begriff des „Rückengängers“ – einem Pferd mit federndem Rücken und aktiver Rückentätigkeit, gegenüber dem „Schenkelgänger“, dass aus der Anstrengung seiner Beine gehen muss.

Die mechanische „Aufrichtung“
Mit einer forcierten Aufrichtung von Kopf und Hals mechanisch durch die Hand des Menschen – wie wir es heute leider häufig sehen, findet aber noch lange keine Lastverschiebung zugunsten der Vorhand, der Schulter und der Brustwirbelkette statt. Ein Pferd in seinem Widerrist aufzurichten, ist damit der sicherste Weg, um das Pferd auf seiner Vorhand zu belassen und dort weiter zu belasten, denn ein derart mechanisch aufgerichtetes Pferd, geht trotzdem mit abgesenkter Brust, belastet die stabilisierte Vorhand und fällt nach wie vor in seine Bewegung hinein.

Auch der Gewichtsausgleich nach hinten ist verwehrt. Ob so ein Reiten – mit angezogener Handbremse – ein anzustrebendes Reitideal ist?

Aber es kommt noch schlimmer! Denn das Pferd soll ja laut Anweisung der Reitlehren von hinten geritten werden. Also wird das in die Bewegung fallende Pferd zusätzlich vom Reiter „in die Hand“ getrieben. Diese gewaltige Bewegungsverstärkung (ohne Bremse) kann der Reiter mit seiner Hand natürlich nicht leisten, baut „mechanische Bremsen“ ein und vermeidet so die Bewegungskraft, die er sich selbst in die Hand treibt.

Das Fatale dabei ist, dass das Pferd seine aktive Rückentätigkeit verliert, denn der Pferdekörper ist pausenlos damit beschäftigt, seinen ungeschützten (weil untätigen) Rücken gegen den Menschen zu schützen. Solche Pferde sind „aus dem Widerrist heraus“ aufgerichtet, eine Körperposition, die die Arbeit von Kopf und Hals (einschließlich der Sinne) von seinem Rumpfe trennt, verformt dabei den Pferdekörper und nimmt ihm die Freude an seiner Bewegung.

Die meisten Pferde bewegen sich dabei so ineffizient, dass ihre Art sich zu bewegen (sogar ohne Last des Menschen) selbst zu ihren Rücken-, Schulter-, Knie-, Atem-, oder Gelenksproblemen beiträgt. Oft wird zwar gesagt, dass das Reiten – also die zusätzliche Belastung mit Gewicht, Schädigungen des Pferdekörpers hervorruft, aber es ist der fehlende Gewichtsausgleich – der Fokus nach hinten – und die fehlende Rückentätigkeit, damit „Gleichgewicht“ und Feinmotorik entstehen kann.

Die natürliche spannungsfreie Aufrichtung
Die angestrebte, natürliche, spannungsfreie Aufrichtung geht dagegen von einer freien Wirbelkette aus, die Beckenmuskeln nehmen in elastischer Zusammenarbeit die rückwärtigen Rückenmuskeln in sich auf, die in weiterer Auswirkung über die leicht gebogene, federnde Sattellage (die den Reiter wunderbar sitzen lässt) zum Halse hinauf bis ins Genick des Pferdes federt. Das wurde früher in der alten Reitersprache als der „hergegebene“ Rücken des Pferdes beschrieben.

Nur war leider genau dieser Ausdruck des hergegebenen Rückens bestens dafür geeignet, um eine falsche Vorstellung einer Art gesenkten Rückens hervorzurufen – eines Pferderückens, dass sich nicht gegen den Reiter wehrt, weil die Rückenmuskeln übermäßig angespannt und starr sind (Diese „falsche“ Rückenaufwölbung werde ich noch genauer beschreiben).

Die „biomotorische Pferdeschulung“
In der „Pferdeschulung“ geben die „biomotorischen Übungen“ viele Bewegungsideen, um das Pferd in sein Gleichgewicht zu bringen und die natürliche, spannungsfreie Aufrichtung über die Rückentätigkeit zu erreichen. (siehe: die „biomotorischen Übungen“ in den Einzel-Updates, für die Sie sich ebenfalls anmelden können)

Aber auch die Wirkung des Menschenkörpers auf die Pferdekörpermechanismen muss beachtet werden. Die nötige Feinmotorik ihrer Gelenke, aber auch die „Rückenarbeit“ dazu, erlernen Sie in den „Reiterschulungen“.

Die nächsten „Reiterschulungen“ finden statt:
Am 21. 01. 2023 in Sinsheim im Schloss Neuhaus (ein ganz besonderes Highlight)
Am 28. 01. 2023 bei Kufstein/Österreich im „Ich für mich Fitness“
Am 11. 02. 2023 bei Hannover/Celle (Seminarraum wird noch bekannt gegeben)
Am 25. 02. 2023 bei Graz/Österreich

Reiterschulungen sind Tagesseminare ohne Pferd und kosten € 100,– pro Person

Die Anmeldung bitte per email unter biomotorik@gmx.de.