Die Vorbereitung des Pferdes zum Reitpferd

Warum muss man das Pferd als Reitpferd erst vorbereiten? Die Antwort und die Gründe dazu sind so einfach wie nachvollziehbar! Denn der Körper des Pferdes kann sonst mit dem Gewicht auf seinem Rücken – ohne körperliche Folgen – nicht umgehen. Warum? Das schauen wir uns auf den Zeichnungen an.

Wenn wir uns dazu die Zeichnung 1 betrachten, sehen wir ein Pferd bei dem die Vorderbeine mehr Last tragen müssen als die Hinterhand. Wieso? Die Wirbelkette wird noch nicht durch die plastische Tiefenmuskulatur elastisch stabilisiert. Die Tiefenmuskulatur – die unterste, Körper-näheste von den 4 Strukturschichten, muss man sich in bester Ausformung wie ein umfassendes Etui der Wirbelkette vorstellen. Die Wirbel haben genug Platz und Raum, keine Wirbel behindert den anderen. Und sowohl Bandscheiben wie Wirbel können den Platz einnehmen, den sie für ihre Aufgabe im Körper brauchen.

Dieser Prozess bringt den Pferdekörper zu seiner Körperplastizität – und damit zu seiner inneren Aufrichtung – also der Aufrichtung, die von innen kommt und nicht von außen (von der Zügelhand des Menschen) hergestellt wird.

So, nach dieser kleinen Einleitung wieder zur Zeichnung 1. Dieses Pferd ist augenscheinlich noch nicht im den Prozess zur Körperplastizität. Das heißt, der Reiter sitzt mit seinem Gewicht auf der äußeren Muskelschicht des Pferdes, die sich unter dem Gewicht verfestigt. Vor allem unter dem Sattel, ist – dadurch dass der Reiter auch noch ohne Beckenbeweglichkeit auf seinen Sitzhöckern sitzt, die punktuelle Belastung am größten.

Für das Pferd bedeutet dass: es wird eine ganze negative Kettenreaktion im Körper eingeleitet – beginnend und ausgehend von der Wirbelkette, hält das Pferd auch seine Rippen fest. Die Aufrichtemuskulatur kann den Hals nicht mehr hochwuchten – die Folge ist, dass das Brustbein tief kommt. Der Hals „trennt“ sich von der Schulter ab. Und die ganze Belastung hängt dem Pferd buchstäblich im Genick. Wenn das Pferd den Kopf zum sehen, anheben möchte, kann es das nicht aus den Wirbeln heraus tun, sondern drückt mit den Muskeln des unteren Halses nach oben – der Unterhals prägt sich damit aus, und wird richtiggehen als Unterhals „trainiert“

Auch der empfindliche Becken-Lendenbereich (das kennen wir von uns, wie schnell der weh tut) wird durch das Reitergewicht in Spannung versetzt. Die Folge für das Pferd: es kann in den Wirbeln nicht mehr federn, und gibt die Stabilisierung zuerst an die großen Gelenke und dann an die kleinen der Gliedmaßen weiter. Das Pferd hat keinen Bezug mehr zu seinem Körper, die Sinne sind eingeschränkt. Wenn der Reiter jetzt die Zügel zum Reiten aufnimmt, muss er sehr grobe „Hilfen“ geben, bis die beim Pferd ankommen – unnötig zu sagen, das damit die gesundheitliche Spirale abwärts geht.

Der Reiter

Der Reiter braucht einen sichtbar-aktiven Sitz mit dem er das Pferd (ohne Körpergefühl) mit seinem aktiven Bein „treiben“ muss. Der Nachteil: zum aktiven Vorwärts-treiben muss der Reiter stark in seiner Bewegung mitgehen und drückt mit seinem aktiven Sitz den Pferderücken nach unten. Das Pferd kann also ein feines Federn in den Wirbeln gar nicht mehr entwickeln, und muss sich – statt in der Aufrichtung – in der nach vor geneigten Haltung etablieren. Dadurch wird die Hinterhand in ihrer Bewegungsmöglichkeit immer mehr eingeschränkt.

Eine Erleichterung/Entlastung der Vorhand wird dem Pferd nicht ermöglicht. Das Pferd stabilisiert sich in den kleinen Gelenken der Vorhand und in der Bewegung der Schulter – was den verletzlichen Genick/Zungenbein/Kiefer Komplex stark irritiert. Durch das ständige Treiben von Gesäß und Bein muss das Pferd jedoch im Tempo durch die Hand permanent begrenzt werden.  Das Pferd legt sich auf die Hand – weil ihm die Aufrichtemuskulatur zum Erheben fehlt. Statt Federn wird Schwung erzeugt, in dem sich das Pferd nach vorne arbeitet. Zur Erleichterung für die Zügelhand wird das Pferd vom Mensch im Genick „gestellt“, was den Körper vollends durcheinander bringt, weil die Durchlässigkeit im gesamten Körper fehlt.

Auch wenn die Zügel aufgenommen werden, wie auf Zeichnung 2 ist das Pferd extrem lang, denn der fehlende Verbund der Wirbelkette und der Aufrichtemuskulatur macht sich schmerzhaft bemerkbar. Der Reiter belastet durch seine vorgeneigte Festigkeit den Schultergürtel des Pferdes, das Maul wird begrenzt – auch durch Sperrriemen verstärkt, und die Bewegungsenergie (solange sie noch beim jungen Pferd verfügbar ist) geht in die kleinen Gelenke der Vorderbeine – die zu „strampeln“ anfangen.

Der Kopf kann diese Extrembelastung nicht lange halten, kippt hilflos nach unten und ist dem Druck der Zügelhand ausgeliefert. Wenn der Reiter die Zügelhand nur ein kleines bisschen öffnet, wird sich das Pferd versuchen im angespannten Genick zu erleichtern und geht der Hand nach, weil es sich aus sich selbst heraus nicht aufrichten kann. Daraus kann die Rollkur entstehen – das Pferd sucht verzweifelt nach Erleichterung und die unnachgiebige Zügelhand zieht das „widerspenstige“ Maul zu sich her.

In den Rippen ist das Pferd genauso festgehalten, wie in der Wechselwirkung seiner Wirbel. Der Reiter muss also das Pferd „um seinen Schenkel biegen“ anstatt das sich das Pferd in seinen Wirbel verlängern und verkürzen kann – sich also in seinen Rippen bewegt. Durch die einseitige „Schiefe“ ist die Atmung extrem eingeschränkt, da das Zwerchfell zu seiner „Arbeit“ einen in sich geraden Körper braucht.

Kommen wir zu Zeichnung 3:
Der Fokus liegt da auf der vermehrt arbeitenden Hinterhand. Wenn aber zuvor der Verbund der Körperplastizität nicht hergestellt ist, ist die Hinterhand auf sich allein gestellt. Auch bei dieser „Reitweise“ machen die „Rippen zu“. Und auch da hat der Pferdekörper zuvor nicht gelernt, sich durch seine Aufrichtemuskulatur selbst „zu tragen“. Die Grundfläche des Pferdes wird manuell durch eine mechanische Aufrichtung und eine aktiv einwirkende Reiterhand (meist mit Kandarre) verkleinert.

Zur Zeichnung 4: Die entscheidende Bedeutung hat in jeder Reitweise die Durchlässigkeit des Reitersitzes. Wenn das ganze Gewicht des Reiters auf die Wirbel des Pferdes „treffen“ macht das Pferd „zu“ und läuft dem Reiter unter dem „Gesäß“ weg – flüchtet vor dem Schmerz in seinem Rücken. Auch dieser Reiter sitzt auf dem Pferd und nicht im Pferd. „Gelenkt“ wird das Pferd im hochempfindlichen Pferdemaul. Das Genick des Pferdes ist gestreckt, die Strukturen hart und geben dem Genick selber – zusätzlich zur Zäumung – Druck.

Der Rumpf des Pferdes ist so gestreckt und von oben beschwert, dass  keine Rippenbewegung mehr möglich ist. Das erhöht den Muskeltonus und erschwert die Muskelatmung. Die Belastung oder man muss sagen, die Überbelastung müssen die Beine des Pferdes in die überhöhten Gangarten tragen. Die Hufe haben dadurch kaum Streck- und Beugebewegung. Und zu der schlechten Blutzirkulation kommt der punktuelle Aufprall der Hufe dazu – der Weg ist frei zu Hufgeschwüren, einer langen Zehe und abgelaufenen Trachten

Mein Kommentar:

Das sind nur einige Beispiele dafür, wie der Körper des Pferdes – wirklich sehr schnell – von der Menschenhand geformt und verformt werden kann. Man kann die Beispiele wild durcheinander mischen, und neue dazu nehmen. So wirkt aber jede Reitweise, wenn als Basis der Körper fehlt, und die Beeinflussung auf Muskeln und Organe trifft.

Wir alle möchten aber Pferde reiten, die uns leicht und willig mit ihrem Körper begleiten – egal in welcher Reitweise und egal, ob beim Üben in der Bahn, beim Ausritt oder auf einem längeren Wanderritt. Das bedeutet zuallererst, dass man aus dem Pferd, das man reiten (und belasten) möchte, ein Reitpferd macht. Was nicht anderes heißt, als dass man den Körper in seiner Funktionsweise ausprägt und so durch seine entstehende Körperplastizität bestens auf die Belastung des Reitens vorbereitet.

Das Ergebnis: der Pferdekörper ist durch den Verbund der Körperplastizität geschützt vor der einseitigen, und oft punktuellen Belastung des Reiters. Der Reiter muss nicht – um durchzukommen – den Pferdekopf so martialisch zuschnüren und das Pferd von seinen Sinnen abtrennen.

Denn, und daran sollten wir immer denken – die Sinneswahrnehmungen und der Körper des Pferdes machen das Pferd erst aus.