In allen Reitausbildungen der vergangenen Jahrhunderte, die die körperliche Ausprägung des Pferdes im Fokus hatten, war auch die intensive körperliche Schulung des Menschen selbstverständlich. Wie sonst hätte man in eine Symbiose mit dem Pferd verwachsen sollen, bei dem die Harmonie des Ganzen nicht gestört wird. Nur so entsteht eine feinmotorische, körperliche Verbindung, die sich gegenseitig in den Bewegungen unterstützt und an denen sich das Pferd aufrichten kann.
Guérinière schreibt dazu: „die Leichtigkeit und Freiheit, die man in einer aufrechten und freien Körperhaltung beim Reiten bewahren muss, ist eine so große Zierde für den Reiter und zugleich der Weg zum Reiten als „Kunst“, dass alle, die Reiter werden wollen, die nötige Zeit aufwenden sollten, um diese Eigenschaft zu erlangen. (Genau diesen Zweck sollen meine Reiterschulungen erfüllen. Anmerkung Monika Buhl)
Und weiter: Es hängt von dem gut beachteten „Gegengewicht“ des Reiters ab, um bei allen Bewegungen, die das Pferd macht, das richtige Gleichgewicht zu bewahren. Die Bewegungen des Reiters sollen dabei mit so viel Feingefühl, mit großer Sorgfalt ausgeführt, in die Feinheiten gehend und differenziert sein, dass sie viel mehr dazu dienen, den Sitz zu verschönern, als dass sie dem Pferd helfen wollen.
Aber: Es ist die allgegenwärtige Nachlässigkeit, verbunden mit einer gewissen Schlaffheit, die an die Stelle der Sorgfalt tritt, die man aber braucht, um eine schöne Körperhaltung auf dem Pferd zu erlangen und zu bewahren, die die Augen der Zuschauer verzaubert und das Verdienst eines schönen Pferdes unendlich erhöht. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Reitkunst so viel von ihrem Glanz verloren hat“. Guérinière
Auch Guérinière wusste also, dass unsere Gleichgewichts- und Bewegungsfähigkeit über die Qualität des Reitens entscheidet und dass die Ausführung von reiterlichen Abläufen nur so gut ist, wie der Körper des Reiters verfügbar ist. Es reicht beileibe nicht aus zu WISSEN, wie man sich beim Reiten nach den jeweiligen „Regeln“ hinsetzen soll, sondern es die körperliche Verfügbarkeit des Reiters einen unbelastenden, tiefen und schönen Reitersitz beizubehalten – der das Pferd nicht in seinem Bewegungsfluss stört – wenn das Pferd in dynamischere Bewegungen und Gänge kommt.
Genau das ist aber für den Reiter nicht leistbar, wenn er nicht die Gleichgewichts- und Bewegungs-fähigkeit seines Körpers zur Verfügung hat. Erschwerend kommt dazu, dass dann die mangelhafte Statik des Menschen, die ja in ihrer beweglichen Elastizität leben und nicht in Muskelkraft erstarren darf, zwangsläufig muskuläre Verspannungen und Gewebsveränderungen beim Pferd auslöst, was einen negativen formbildenden Einfluss auf den Pferdekörper hat.
Der Reiter braucht also dringend Bewegungen, die ihm mehr und mehr erlauben, sich auf die Bewegungen des Pferdes einzulassen, aber immer auch dem eigenen Körper entspringen – also nicht durch Gewohnheiten oder Spannungen vorgeformt oder verzogen sind und die ihn unweigerlich immer weiter vom Körper und seiner Sprache entfernen. Nur so kann auch der allgegenwärtige Alltagsdruck abfallen und körperliche wie seelische Spannungen können sich lösen. Damit entsteht im Kopf und Körper Raum für „gerittene“ Bewegungen und genug Zeit um dem Pferd „zuzuhören“.
Wie wirkt sich die heutige Bewegungslosigkeit des Menschen auf das Reiten aus?
Heute kann man die manipulative negative Einwirkung des menschlichen Beckens auf den Pferderücken, genauso gut wie die belastende Wirkung der Hand – wenn der Reiterkörper unruhig oder festgehalten ist – beschreiben. Die Biomotorik stellt einerseits die verbindenden Kräfte der Körper vor, die beim Reiten entstehen können – spürt aber genauso den Ursachen, Prozessen und Wirkungen dieser Kräfte im Menschen- wie im Pferdekörper nach, die in einem einseitigen, nur auf die Wünsche des Menschen motivierten Reiten wirksam werden.
Dem setzt die Biomotorik die „Placements“ entgegen, bei denen es darum geht, dass sie immer wieder die Bewegungsfähigkeiten und die Gleichgewichtsfähigkeit ihres Körpers ausprobieren. Ihr Körper braucht zum Reiten seine persönliche Bewegungsentwicklung, sonst erstarrt er in seinen Gewohnheitsmustern und Spannungen. Dabei ist gerade die freie Halsregion besonders wichtig, die die Hirnnerven und viele andere Rezeptoren beherbergen, um den gesamten Körpertonus und viele Funktionen der Organe zu steuern.
Während den Placements wird klar, welche wichtige ausgleichende Funktion der elastische Rippenkorb für den Reitersitz hat und warum der Schwerpunkt des Körpers nicht nach unten ins Becken rutschen darf, der sonst zu träge wird, und in seiner Verfügbarkeit und Festigkeit erstarrt. Die Aufrichtung der Wirbelkette gibt dem Brustkorb seine Form und kann den Rippen den Weg nach vorne-oben und nach hinten-unten frei machen.
Ist die Nacken- und Schulterregion wieder verfügbar, stellt sich sofort ein freieres Körpergefühl ein, Blut und Atem kann ungehemmt fließen, sie atmen leichter und das Gehirn wird besser versorgt. Sie werden nicht nur bewegungs- und gleichgewichtsfähiger, ihre Sinnesorgane arbeiten müheloser und das „Handling“ ihrer Zügelhände wird feinmotorischer.
Dadurch dass Sie durch die „Placements“ die Funktionsbewegungen ihres Körpers immer besser ausführen können, lernen Sie, auch ihrem Körper wieder zuzuhören und ihren Gefühlen spielerisch Ausdruck zu verleihen, Sie werden flexibler und weicher – aber gleichzeitig elastisch stabiler. Sie bewegen sich freier, ohne Kontrolle und vorgegebene Bewegungen.
Und da auch in unserem Bewegungssystem alles mit allem verbunden ist, tut die körperliche Verbundenheit mit dem Pferd auch ihrem Kopf gut. Sobald Sie lernen, ihren Körper von den Bewegungen des Pferdes führen zu lassen – aber ohne dabei die „Spürung“ zu verlieren, beginnen Sie „loszulassen“ und die Bewegungen des Pferdes nicht mehr mit ihrem Körper zu erzwingen.
Deswegen möchte ich Sie auf diesen Seiten, aber vor allem in den „Reiterschulungen“ immer wieder motivieren und inspirieren, alte Gewohnheiten in Frage zu stellen und die „Placements“, die sie in den „Reiterschulungen“ lernen können – und ihre Bewegungen wieder wertvoll und „nahrhaft“ machen – in ihrem Alltag zu integrieren.
Es gibt sicherlich viele Wege, dem Pferd reiterlich zu begegnen – die Biomotorik mit ihren „Placements“ zeigt sich auf ursprüngliche, einfache, vielfältige und spielerische Weise. Probieren Sie sie einfach als „Geheimwaffe“ gegen ihren Stress, ihre Verspannungen, Unbeweglichkeiten, Festigkeiten und festgefahrene Bewegungen aus. Mehr, als dass Sie plötzlich gelassener, lebendiger, klarer – und das auf einmal das Reiten einfach wird – kann Ihnen nicht passieren.