Gemeinsam

Der Pferdekörper ist das Kapital des Reiters. Ohne Pferdekörper gibt es genauso wenig einen Reiter, wie es ohne Geige keinen Geiger gibt. Nur gemeinsam mit dem Pferd und seinem Körper kann der Reiter reiterliche Bewegungen ausführen, und diese dann mit Leben, Dynamik, Konzentration, Sammlung und – mit Emotionen füllen.

Weil gesundes Reiten kein Widerspruch sein darf

Der Ausdruck von Pferd und Reiter bewirkt die Faszination des Reitens – nicht die Ausführung von reiterlichen Bewegungsabläufen. Das birgt Gefahren – denn das macht das Pferd verletzlich, nicht nur physisch, sondern auch psychisch.

Die Grenze zwischen der Persönlichkeit des Pferdes, mit seinem tanzenden Körper als sorgsam gehütetes Kapital des Reiters und dem Pferdekörper als „benutztes“ Instrument zum Reiten kann schnell verwischen. Aber weder im Umgang mit dem Pferd noch beim Reiten lassen sich Körper und Psyche des Pferdes nicht trennen.

Die Freude an gemeinsamer Bewegung und Verbundenheit. Den eigenen und den Körper des Pferdes zu einem anderen Ausdruck zu bringen oder die Herausforderungen annehmen, die dabei entstehen – es gibt so viele Gründe, warum man reiten will und das Pferd mit seinem Körper tanzen lassen will. Nur – auch wenn es manchmal so aussieht, das beim Reiten beide Körper – ähnlich wie beim Sport -gefordert werden, darf weder die „Nutzung“ des Pferdes und auch der Wettbewerbsgedanke nicht an erster Stelle stehen.

Reiten umfasst viel mehr als den reiterlichen Aspekt – denn reiten ist mehr als das Erlernen von Bewegungsabläufen. Vor allem die Persönlichkeit des Pferdes – einschließlich seines Körpers – lässt sich nicht auf die gehorsame Ausführung von Lektionen reduzieren. So wird eine biomotorische „Körperbildung“ des Pferdes, die bewusst keine Trennung zwischen Körper und Psyche des Pferdes macht, zur völlig anderen „Disziplin“ – als eine muskuläre „Erziehung zum Reitpferd“, wie es im traditionellen muskulären System immer noch der Fall ist.

Doch die meisten Reiter sehen das Pferd wohl noch immer als „Instrument“ zum Reiten – mit dem der Mensch dann zum Reiter wird. Diese Sichtweise hat Folgen: Man nimmt in Kauf, dass man dem Pferd – wie vielleicht einem Sportler – die körperliche Anstrengung und psychische Belastung durchaus ansehen darf – der angespannte (und mit Mechanik verspannte) Gesichtsausdruck des Pferdes, schmälert nicht die „Leistung“ der „fliegenden Beine“, der gespannten Seitengänge oder einer zusammengequetschten Piaffe.

Der Körper des Pferdes reitet immer mit

Das Reiten muss aber frei von allen körperlichen Mühen wirken. Nein, nicht nur wirken – sondern auch sein! Es sollen bewusste, gelassene und koordinierte Bewegungen sein. Also genau die Anforderungen an die Pferdebewegung, mit der ich die Motorik des Pferdes beschreibe, die von den extrem feingeschalteten und nun freigeschalteten Sinneswahrnehmungen des Pferdes abhängig ist.

Viele Gründe also, um sich sehr sorgfältig um den Pferdekörper zu kümmern – aber alle „Gründe“ sind die Voraussetzung für ein langes Zusammensein mit dem Pferd und ein beschwerdefreies Reiten – für beide. Das Pferd und seinen Körper psychisch und physisch gesund zu erhalten, Überlastungen frühzeitig zu erkennen und daher Spannungen im Pferdekörper gar nicht erst zuzulassen und alles zu vermeiden, was die ursprüngliche Körpermechanik und sein Atemfluss vermeidet – das sind nur einige wenige „Gründe“ davon.

Aber: „Wir sind so versessen darauf, dem Pferd beizubringen, was es nicht kann, dass wir das alles, was der Körper des Pferdes für uns bereithält, gar nicht beachten“.

Der Mensch wird dabei zum Akteur – nicht das Pferd. Das Pferd hält ja alles, was es zum Geritten werden braucht, in seinem Körper bereit. Wir müssen den Schatz „nur“ heben, und an die Oberfläche bringen. Denn, Bewegungen zu erlernen, Veränderungen verstehen und sie direkt in Bewegung zu übersetzen – um sie dann auf den Punkt genau mit voller gelassener Konzentration und Kadenz zu zeigen, da ist ja die ganz alltägliche, überlebenswichtige Anforderung an die Motorik des Pferdes, genauer gesagt, an sein Nervensystem.

Die Motorik als Dirigent des Pferdekörpers

Die Motorik des Pferdekörpers als Dirigent für seine Bewegungen ist ein wahres Wunder, von dem wir heute, dank intensiver Forschung und Beobachtung, immer mehr verstehen. Die Aufgaben und Logistik der Motorik sind dabei vielfältig: Informationen aufnehmen, weiterleiten, verarbeiten, speichern und abgeben. Die Motorik verbindet die verschiedenen Bereiche des Körpers miteinander, kommuniziert mit der Außenwelt, dem Menschen und koordiniert die Abläufe im Inneren des Pferdekörpers

Pferde wollen deshalb die Erfahrungen, die aus ihren Bewegungen entstehen, selber sammeln – sie wollen ihre Reaktionen, Emotionen, und auch ihre Bewegungsfreude direkt in Bewegung verwandeln.

Und das sollen sie auch!
Was das Pferd mit seinem Körper erspürt und mit seinen Sinnen wahrnimmt, kann es dann auch beim Reiten umsetzen. Und was das Pferd mit seinem eigenen Körper erfahren hat, kann es auch mit dem Reiter austauschen.