Ist der Stress des Pferdes sichtbar?

Noch mehr über den Stress des Pferdes

Viele fragen sich (und mich) – vor allem nach meinem letzten Artikel über den Stress des Pferdes – wie man Stress beim Pferd sehen kann. Nun, zuallererst ist Stress natürlich eine Empfindung – ausgelöst durch „unbewusste Reflexe“. Und Empfindungen kann man eben in erster Linie – empfinden. Über eine enge Verbindung zum Pferd spüren wir, dass es Stress hat – auch wenn das Pferd vielleicht nach außen hin ruhig erscheinen mag (wie bei einem Menschen, mit dem man eng verbunden ist).

Das Gesicht des Pferdes – der Spiegel seines Körpers

Aber – Stress kann man tatsächlich auch sehen, weil Stress vor allem körperlich ist. Und da alles, was wir mit dem Körper des Pferdes anstellen, Auswirkungen auf die hochsensitive Gesichtsmuskulatur des Pferdes hat, sehen wir dem Pferd den Stress auch im Gesicht an.  Der Grund für diese Sichtbarkeit, ist im Wesen des Pferdes zu suchen. Da das Pferd ein sehr soziales Herdentier ist, aber bekanntlich nicht sprechen kann – teilt das Pferd seine Emotionen – aber auch seinen Stress über seinen Gesichtsausdruck mit.

Starrheit im Gesicht ist auch ein Zeichen

Und so hat die Mimikmuskulatur des Pferdegesichts im Laufe der Evolution eine Spezialität entwickelt- am riesigen Pferdekopf haben die Muskeln ihren Ursprung nicht von Knochen zu Knochen, oder verbinden Gelenke – sondern im Pferdegesicht hängt Muskel an Muskel und Muskel an Bindegewebe. Wie ein großes Netz überzieht die Mimikmuskulatur und Nervengeflechte das hochsensible und hochwahrnehmende Gesicht des Pferdes.

In diesem Empfindungsnetz sind – logisch – immer sind das Maul, die Nase (mit Atmung) und vor allem die Augen beteiligt. Und immer ist der Gesichtsausdruck an die Körperhaltung und an den Körperzustand gekoppelt. Sind die „unbewussten Reflexe“ noch aktiv, nimmt der Pferdekörper bei vielen Situationen, die das Pferd unsicher machen und es ängstigt eine Art Schutzhaltung ein. Ist die Situation vorbei, legt sich im Normalfall der Stress und die Emotion entspannt sich der Körper und auch das Gesicht.

Der Pferdekörper – ein Spiegel seines Gesichtes

So entsteht bei jedem Pferd, durch die Menge und die Art der Situationen – wie es sie erfährt, wahrnimmt, wie es sie „verarbeitet“ und ob es die Situation auflösen und entspannen kann, eine Art „Grundzustand“ seines Körpers, der eben die vorherrschenden Situationen widerspiegelt. Er ist deshalb von Pferd zu Pferd extrem unterschiedlich.

Aus all diesen „Gründen“ sehen wir dem Pferd zuallererst an den Augen an, wie es mit den unterschiedlichen Situationen umgehen kann. Wie sehr das Pferdeauge mit der – hoffentlich aktiven – Nasen/Zwerchfellatmung verbunden ist, sehen Sie auf dem Bild von Ellenberger-Baum (1943). (Aus diesem Grund, würde ich bei allen Augenproblemen des Pferdes immer zuerst alle beeinflussenden mechanischen Schnüre und Riemen gegen Funktionsaktivierendes austauschen).

Stressreaktionen und die Freiheit des Kiefers stehen im direkten Zusammenhang

Auf den wichtigen Zusammenhang des Kiefers auf die Bewegungen des Pferdes, habe ich ja schon öfters hingewiesen. Auch bezogen auf die Stressreaktionen des Pferdes hat er einen sehr direkten Zusammenhang, weil sich jede Körperfehlhaltung auf die Kopfstellung des Pferdes und damit auf die Kieferstellung auswirkt. Der Kiefer wiederum hat eine eng verflochtene Verbindung zum Körper, das Kiefergelenk ist über die Schädelknochen mit dem gesamten Wirbelkanal verbunden und der Kiefer beeinflusst damit sowohl das Skelett als auch Muskulatur und Nerven.

So haben über das Kiefergelenk wiederholt ausgelöste „unbewusste Reflexe“ einen störenden Einfluss auf die Bewegungen des Pferdes. Das Pferdegesicht zeigt dabei die Spannungszustände des Körpers an, aber auch Bewegungsstörungen- oder Einschränkungen, Lähmungen im Sinne von Erstarrungen, und die Strategien und Kompensationen, mit denen der Körper versucht, mit den Irritationen seiner Körpermechanik und seines Gleichgewichtes umzugehen.

Der Pferdekörper wiederum zeigt jede Einschränkung Pferdekopfes, seiner Sinneswahrnehmungen, Ängste, Frustrationen und Unsicherheiten – also, eben alles was sich IM KOPF des Pferdes abspielt.

Gegen den Stress

Der Gesichtsausruck des Pferdes und sein Körperzustand macht eindrücklich deutlich, dass das Pferd aus den feinsten, unterschiedlichen Sinnes- und Wahrnehmungssystemen besteht, die alle miteinander vernetzt sind. Aber – in unserer schnelllebigen Menschenwelt, verliert das Pferd oft den Zugang zu seinem Körper, zu seiner Körperwahrnehmung und seiner Atmung und bewegt sich wie ferngesteuert und in Stressreaktionen

Aus diesen Erkenntnissen schlussfolgernd ist es wichtig, dass wir sensibler für die Spannungszustände des Pferdekörpers, aber auch für die Schlaff-, und Trägheit seiner Körpersysteme werden, die einen enormen Stress für den Organismus bedeuten.
Es empfiehlt sich, die Sinnes- und Wahrnehmungssysteme im „Alltag“ des Pferdes – also im täglichen Miteinander des Pferdes mit dem Menschen, wieder anzuregen und zu fördern.

Schon die gelösten Spannungen im Kiefergelenk und eine Entkrampfung des Pferdekopfes bringen eine Entspannung im ganzen Körpersystem

Durch die Sichtweise der BIOMOTORIK wird man auf vieles aufmerksam, was uns das Pferd mitteilen möchte. Jeder Pferdebesitzer kann so für sich einen Weg finden und mit seinem Pferd eine ruhige Sicherheit erreichen, indem man den Stress des Pferdes abbauen und ganz vermeiden kann. Die Kombination „Bewegung mit ausgelösten, im Körper angelegten Primitivreflexen“, erzeugt ein „bewusstes Bewegen“ wie ich das körperliche Zusammenspiel aus Körpergefühl des Pferdes, Interaktion mit dem Menschen, Bewegungsvielfalt und viel Bewegungsfreude genannt habe.

Reiten ist so viel mehr wie das Erlernen von reiterlichen Bewegungsmustern

Zu Beginn des „stressfreien“ Bewegens sind es kleine Momente des körperlichen Wohlbefindens, später das immer ausgeprägtere Körpergefühl des Pferdes, sich selbst regulieren und kontrollieren zu können. Und vor allem ist es die Bewegungslust – die Freude an Bewegung und das „Bauchgefühl“ über seinen eigenen Körper selbst entscheiden zu können. Ein stressfreier Pferdekörper ist ein Körper – der in seinen Körperteilen verfügbar (und nicht eingebunden) ist, Herausforderungen annehmen kann, keine Bewegungseinschränkungen hat und nicht manipuliert wird.

Das Schulungsprogramm der Natur als Anti-Stress Programm

Bewegungsfreude, Bewegungsvielfalt und der „sichere Hafen“ des Menschen sind demnach das Anti-Stress Programm des Pferdes – wenn man es denn so nennen will. Wen wundert es dann noch, dass die fehlende Verbindung zum Menschen, die mangelhafte Interaktion und das nötige Empfinden des Menschen (wann das Pferd Stressreaktionen zeigt), der Stress-Faktor Nummer eins des Pferdes ist, die durch den wechselseitigen Körperaustausch mit dem Menschen aber auch ganz schnell zum ANTI-STRESS-FAKTOR Nummer eins werden können.

Es sind die „Grimassen“ des Pferdekörpers

Sichtbar wird das Spielen der Lebensfunktionen, die Erweiterung des Bewegungsraumes und der Atembewegungen und das zunehmend höhere Gleichgewichtsniveau im neugierigen Spielen und Ausprobieren des Körpers (auch das müssen viele Pferde erst wieder erlernen) Ich nenne sie die „Grimassen des Pferdekörpers“. Aber natürlich – wie alles in der Natur – haben auch die Grimassen einen ernsteren Hintergrund.

Mit ihnen integriert und verarbeitet das Pferd die Informationen, die es von seiner Umwelt oder auch vom Menschen bekommen hat. Genauso „befreit“ es sich aber von einschränkenden Informationen oder Spannungen. Es sind Informationen, die das Pferd in seiner Bewegung weiterbringen und das an den Grimassen beteiligte Gehirn, speichert sie als nützliches Verhaltens- und Bewegungsmuster im Körper und bringt hält damit seinen Bewegungsentwicklungsprozess im „Laufen“.

Interessiert sie das „Schulungsprogramm der Natur“, das sich in den „biomotorischen Übungen“ und im „biomotorischen Training“ widerspiegelt?
Dann besuchen Sie mich doch per email biomotorik@gmx.de oder in Facebook unter „die Biomotorik des Pferdes“ und „Monika Buhl – Atembewegungen“.