Die Entwicklungsphasen

Die erste Entwicklungsphase des Pferdes

Das organische Zusammenwirken des Pferdekörpers

Die Entwicklungsphasen des Pferdes helfen uns dabei, das Pferd bei seiner körperlichen Entwicklung zu unterstützen, nicht zu überlasten oder den Pferdekörper nicht mit unrealisierbaren Forderungen zu überfallen, die er noch nicht leisten kann. Sie helfen natürlich auch, zu wissen, welche Fähigkeiten wir in welcher Phase unterstützen können. Kurz, sie machen die körperliche Weiterentwicklung des Pferdes für uns transparenter und verständlicher. Wie unbewusst und schnell man aber den Weg dieses körperlichen Entwicklungsprozesses verlassen kann, möchte ich Ihnen unten schildern.

Verständnis für den Pferdekörper in seiner Entwicklung zu haben, ist etwas was das Pferd spürt. Freuen Sie sich deshalb mit ihrem Pferd über jeden Fortschritt, den es macht. Fortschritt ist übrigens nicht gleich Leistung. Die körperliche Weiterentwicklung des Pferdes kann deshalb IN JEDEM Alter stattfinden und auch begonnen werden. Genauso wie sie sich IN JEDEM Alter über die Fortschritte und die Erweiterung des Pferdekörpers freuen können. Ich selbst habe mehrere alte Pferde erst kurz vor ihrem vorhersehbaren Tode biomotorisch „betreut“ und selbst in diesem letzten Abschnitt ist es für alle ein wirklich sehr gutes Gefühl, das Pferd mit körperlichem Bewusstsein „gehen zu lassen“.

Alles zu seiner Zeit!

Jedes Pferd hat sein ganz eigenes Entwicklungstempo. Die „biomotorischen Übungen“ nehmen das „Können“ des Pferdes perfekt und punktgenau auf, weil sie immer die tatsächlichen, momentanen Fähigkeiten des Pferdes unterstützen. Auch deshalb werde ich Sie auf dieser Seite immer wieder ermutigen „ihren Kopf“, ihre Erwartungen und Ziele einfach mal beiseite zu lassen, und sich eben – wie oben gesagt, über jeden Fortschritt, den das Pferd macht, freuen. Freuen übrigens, kann man sich über alles, (und sind es manchmal nur die Ohren, die das Pferd an diesem Tag besonders schön stellt J). Und Freude kann man immer und überall mit dem Pferd teilen – denn Freude macht (im Vergleich zum Lob) nicht abhängig.

Die intensivste Zeit – die organische Entwicklung

Die erste Entwicklungsphase bedeutet für das Pferd – ohne lange nachzudenken – die wichtigste und intensivste Phase in seinem Leben. Denn da „passiert“ am meisten – beinahe täglich „lernt“ das Pferd in den „biomotorischen Übungen“ etwas über seinen Körper. In der organischen Entwicklungsphase gestaltet sich das Zusammenwirken des „Innenlebens“ meist total um, was das Pferd spontan auch mental als große Erleichterung empfindet. Genauso wie die muskulären Einbindungen der Außenhülle, der Gelenke und Wirbel manchmal sofortige Entlastungen finden können.

Aber vor allem geht es gerade zu Beginn des Körperprozesses um die Wichtigkeit der Entwicklungsmöglichkeiten und Erweiterungsmöglichkeiten, um die Fähigkeiten und Potenziale des Pferdes, die immer wieder auf den richtigen Weg gebracht werden müssen.

In dieser so extrem wichtigen Phase – der ersten Entwicklungsphase – kommen aber auch tatsächlich die meisten Pferde von ihrem Weg ab (oder werden abgebracht), wenn sie vom Menschen nicht darin gefördert werden und ihre Bewegungsmöglichkeiten im Körper buchstäblich stecken bleiben (die da viel Unheil anrichten). Pferde lernen so nie mit ihren Bewegungen umzugehen (wo doch alles im Körper zusammenzuwirken und zirkulieren muss) und eine tragfähige „Tragfähigkeit“ zu entwickeln. Es überrascht also kaum, dass die Mehrzahl der Pferde nicht über die erste Entwicklungsphase hinauskommt und folgerichtig auch nie kadenzierte Bewegungen kennenlernen können.

Die Folgeerscheinungen des Fehlens von eigenen Körpererfahrungen sind für das Pferd dramatisch – anders kann ich es nicht ausdrücken. Zum besseren Verständnis: man kann die Entwicklungsphasen des Pferdes wirklich sehr gut mit den Entwicklungsphasen eines Kindes vergleichen, die ja mittlerweile sehr gut beobachtet werden, um „Ausfälle“ stets im Blick zu haben.  Ich bemühe mich, Ihnen hier auf der Webseite ebenfalls einen kleinen Überblick über die „Ausfälle“ beim Pferd und die steckengebliebenen Vorgänge mit negativem Ausgang (Missverständnisse) zu verschaffen.

Die biomotorische Sicht in der körperlichen Reifung und Erweiterung

Aus biomotorischer Sicht gesehen, ist ein Pferd, dass sich nicht aus den Wirksamkeiten seines eigenen Körpers heraus auf- und ausrichten konnte, körperlich noch nicht mal in der Lage, seinen eigenen schweren Kopf zu tragen, geschweige denn einen Menschen. (zu ertragen! – aber das ist wieder ein anderes Thema). Und schon gar nicht seine Bewegungseinschränkungen (das muss anfangs gar nicht negativ gemeint sein) mit Last + Aufgabenerfüllung zu belasten.

Was nichts anderes bedeutet, als dass das Pferd, bevor es auf die verschiedensten Weisen vom Menschen „belastet“ wird, deutlich in seinem körperlichen Zusammenwirken ausgeprägt sein muss.

Warum wirkt sich das dann so negativ aus? Ganz einfach, weil das Pferd zuvor nicht in Bewegungssituationen gebracht wurde, in denen sich tragfähigen Strukturen hätten entwickeln könnten. Das Übersehen seiner körperlichen Entwicklungsphasen wird dem Pferd oft schmerzlich bewusst. Und trotzdem kann es sich selber nicht mehr aus diesem körperlichen Einbindungsstrudel retten, der in einer immer enger werdenden Spirale endet.

Es braucht die Aufmerksamkeitsverschiebung seiner körperlichen Funktionen und muss darauf interaktiv hingewiesen werden. Und natürlich darf das Pferd in diesem nicht tragfähigen Zustand nicht noch zusätzlich belastet werden. Denn die nötige körperliche Reifung und der durchlässige Atemfluss die das Pferd zu der Belastung des Reitens braucht, sind in einem eingebundenen, festgehaltenen Pferdekörper noch lange nicht gegeben. Ganz zu schweigen von der Skelettmechanik, die – vielleicht auch unbewusst – in eine völlig andere Spur gebracht wird.

Eine „rein reiterliche geprägte Ausbildung“ ist deshalb zu 100% einseitig gedacht. Die körperliche Schädigung des Pferdes ist dabei vorprogrammiert. Die Monokultur von Bewegungen wirkt so, als wenn sie sich ausschließlich von Mais ernähren und sich dann über Mangelkrankheiten wundern. Kurioserweise sind „rein reiterliche geprägte Ausbildungen“ im „muskulären System“ auch keine reellen reiterlichen Ausbildungen im klassischen Sinn der Potenzialförderung beim Pferd, die dann bis hin zu seinen kadenzierten Gängen gehen.

Immer wieder reflektieren

Natürlich führt gerade das junge Pferd so ziemlich alles aus – das ist keine Frage. Und hat vielleicht anfangs sogar noch Spaß daran. Aber gerade während der „Ausbildung“ eines Pferdes, die wohlgemerkt ein ganzes Leben lang anhält, müssen wir uns gerade deshalb immer wieder verantwortungsvoll fragen,  „warum“ wir etwas machen?

Zwischenfazit

Dabei hilft vielleicht auch die Erkenntnis, dass alle Lektionen, Bewegungsmuster, Ausbildungs-Thesen menschengemacht sind. Kein – wirklich kein einziges Pferd würde in der freien Natur eine halbe Stunde im Kreis rennen – oder eine Folge von nicht-endenden Seitengängen ausführen, geschweige denn dass es mit hängendem Kopf galoppieren würde – wo es doch gerade in dieser dynamischen Gangart um jedes Quentchen Luft geht…

…die das Pferd mit einem zusammen gequetschten Rippenkorb gar nicht bekommen kann und schnell in einen anaeroben Körperzustand kommt. Viele erzwungene Bewegungen wirken für das Pferd, als wenn sie die Lunge des Pferdes einschließlich seines Zwerchfells amputieren würden.

Die Frage, die wir uns deshalb stellen müssen, lautet: welche Faktoren beeinflussen die Entwicklungsphasen des Pferdes. Es ist ja nicht so, dass die Entwicklung des Pferdes nach automatisierten, genormten und standardisierten Regeln verläuft. Ich kann das nicht oft genug betonen, weil ich dieser Vorstellung immer noch so häufig begegne. Wir müssen ganz einfach akzeptieren, dass die Entwicklung des Pferdes tatsächlich in jedem Moment von zahlreichen Faktoren mitbestimmt wird.

„Nature und Nurture“

…beschreiben das, was das Pferd evolutionsbiologisch und genetisch „von Natur“ aus mitbekommt. Darin ist die Rasse, das genetische Familienherdenverhalten usw. enthalten. Aber vor allem seine Körpermechanik. Ob es seine Körpermechanik ausleben kann, bestimmt aber die Umwelt, in der das Pferd aufwächst und/oder seine „Nutzung“ (also meistens wir)

Und dann natürlich, was es in den ersten Jahren im Austausch mit seiner Umwelt erfährt. Beim domestizierten Pferd sind das ganz klar die Eingriffe des Menschen – beim in der Natur aufwachsenden Pferd, werden die Faktoren durch die Umweltbedingungen und Witterungseinflüsse bestimmt. Das alles entscheidet über die Wahrnehmung der Welt – also darüber wie ein Pferd seine Umwelt und damit auch den Menschen wahrnimmt.

Jedes Pferd ist anders…

Aber natürlich hat auch jedes Pferd zusätzlich zu diesen oben genannten Faktoren ein bestimmte „Vorbestimmtheit“. Das heißt, was das eine Pferd noch als Herausforderung sieht, darunter leidet das andere – vielleicht auch psychisch. Das eine Pferd reagiert auf verschiedene Situationen eher aggressiv – das andere depressiv. Genauso unterschiedlich reagieren die verschiedenen Pferde auch durch ganz verschiedene Krankheiten wie z.B. im Herz-Kreislaufbereich,  im Bewegungsapparat, im Stoffwechsel oder im Atemkreislauf entwickeln. Oder, wenn das ganze System zusammengebrochen ist – mit allem.

Ob und was beim Pferd zum Ausdruck kommt, ob es ein Tropfen ist, der das Fass zum Überlaufen bringt, oder ob sich das Pferd mit zig Symptomen durch sein Leben schleppt oder nicht, darüber entscheidet der gesamte Verlauf und die unendlich vielen Faktoren des Pferdelebens. Deshalb können manche Pferde völlig traumatisiert aus manchen Situationen herausgehen – und einige nicht. Und als sei das nicht alles schon komplex genug – kommt dann noch die Erziehung oder das Training des Pferdes dazu.

Training und Erziehung in der Entwicklung des Pferdes

Leider verändert die ständige Beeinflussung des Menschen beim Pferd sehr viel. Warum?
Weil das Pferd im erziehenden Training eben eine völlig andere Wahrnehmung lernt. Es lernt sich anders zu bewegen, zu empfinden, und „zu gehorchen“. Das Pferd verlässt dabei seinen Körper, verrückt seine Wahrnehmung zugunsten des Menschen und auf die „Wünsche“ des Menschen hin. Das zeigt sich nicht nur neuronal, sondern auch neuromuskulär und sogar anatomisch. Das Pferd verändert sich in seinem Wesen und seinem Körper – was durchaus in verschiedenen Reittheorien noch immer gewünscht ist. Zu Kriegszeiten war das veränderte Pferd wohl die Überlebensformel für den Menschen…

…es lässt die Welt anders sehen

Die unvermeidliche Folge ist, dass das Pferd sich nicht mehr in seinem Körper auskennt, weil der Körper immer wieder aus seinem Fokus herausfällt. Die unbewussten Reaktionen, die dann nicht „umerzogen“ sind (und auch nicht umerzogen werden können) spielen sich dann fast ausschließlich in seinem Stammhirn ab – das heißt, das Pferd reagiert aus einem Mix von Ängstlichkeit, Unsicherheit, Flucht oder eben auch berechtigtem Widerstand, zusammen mit allem.

Der Mensch wiederum reagiert auf dieses für ihn nicht einschätzbare  „Verhalten“ des Pferdes mit „Vermeiden“. Mit dem sogenannten „Vermeidungsverhalten“ (das was man nicht erleben möchte, versucht man schon im Vorfeld zu vermeiden – weg-zuerziehen, oder um-zugewöhnen)

Der Mensch will also alles vermeiden, was für ihn brenzlig werden könnte. Und beginnt damit eine ständige „Kontrolle“ über das Pferd – was natürlich sehr anstrengend ist. Um sich diese Anstrengung der Kontrolle zu erleichtern, braucht der Mensch Hilfsmittel. Alles aus dieser Sicht heraus nachvollziehbar. Die ganzen Zäumungen (kommt von Zähmungen), kiloschwere Gebisse, die die Kiefer/Zungenbein/Genickfunktion des Pferdes lahmlegen resultieren daraus. Die ganzen Sinn-tötenden Wiederholungen – alles irgendwie nachvollziehbar…

…nicht aber aus Sicht des Pferdekörpers – und da schließt sich der Kreis. Denn der Pferdekörper wird dadurch in seiner körperlichen Weiterentwicklung in seinen Entwicklungsphasen beeinflusst, gestört und sogar verhindert.

Der Körper des Pferdes kommt ihm einfach abhanden

Erinnern Sie sich noch, dass ich eingangs gesagt habe, die meisten Pferde bleiben irgendwo in ihrer ersten Entwicklungsphase stecken. Jetzt wissen Sie wenigstens warum?

itte noch ein bisschen Geduld – die Webseite „wächst“ gerade….