Die Motorik des Pferdes

Wenn wir wissen wollen, was die Motorik eines Pferdes ist und warum sich ein Pferd überhaupt bewegt, sollten wir ein freilebendes Pferd in der Natur beobachten. Da sehen wir am besten, wie nur eine einzige Sinneswahrnehmung die Körperaufrichtung des Pferdes unmittelbar verändern kann. Wir sehen seine spontane Aufrichtung und Anordnung seines Körpers, wenn es in der Ferne etwas Interessantes erblickt, oder es wegen eines Geräusches neugierig aufhorcht, die Stimmung der Umgebung witternd dann durch die Nase aufnimmt und dazu den Kopf hebt.

Motorik ist immer der Weg über Sinnes- und Nerveninformationen

Genau um diese Bewegungen – also Bewegungen, die ihren Weg über die hochempfindlichen Sinnes- und Nerveninformationen in den Pferdekörper finden, geht es in der Motorik des Pferdes. Es geht um Bewegungen, die sich der Körper selbst anfordert, damit er dann die entsprechenden Körperteile für „Bewegung“ bereitstellen kann und alle Körpersysteme und den Organismus für unterschiedliche Dynamiken oder eben für den Ruhezustand passend programmieren kann (stimmen die dynamischen Bewegungen nicht – ist auch das „zur Ruhe kommen“ und das Regenerieren durcheinander)

Längst nicht jede Bewegung ist eine „körpertaugliche“ Bewegung

Es gibt einen riesigen Unterschied zwischen „Bewegung“ und Bewegung. Bewegungen können durch Kraft erzeugt, andressiert, angearbeitet, erzwungen usw. werden. Auch kann der Pferdekörper so geformt werden, dass er nur genau die Bewegungsmöglichkeiten hat, die diese Formung zulässt. Das ist alles „machbar“. Doch das Pferd zahlt einen hohen Preis – einen zu hohen Preis, wenn Sie mich fragen – wenn solche unnatürlichen Bewegungen durch Wiederholungen zur schlechten Gewohnheit werden oder gleichbleibend schlechte Bewegungsabläufe in den Körper konditioniert werden.

Motorik ist das Vorbild der Natur

Kein Pferd in der freien Natur muss sich „aufraffen“, um sich eine halbe Stunde lang zu bewegen. Oder an sich „arbeiten“. Ein Pferd MUSS sich bewegen – das ist ganz pragmatisch – um zu überleben. Ein Pferd würde dies niemals in einer anderen Weise tun als in der, die dem momentanen psychischen oder physischen Körperstatus entspricht. So würde das Pferd wirklich niemals auf die Idee kommen, einseitig im Kreis zu laufen, um die Muskeln auf der einen Seite mehr auszubilden, (und nicht mehr geradegerichtet über das Zwerchfell atmen zu können) wie es genauso wenig Bewegungsabläufe monoton wiederholen würde (um sie dann besser ausführen zu können!!!)

In der Natur herrschen die Regeln, von denen die Überlebensfähigkeit des einzelnen Tieres abhängt. Es ist die gnadenlose Forderung nach Effizienz, Ökonomie und der Funktionalität des ganzen Körpers. Nichts darf in der Körperlogistik und im Zusammenwirken des Körpers ausgelassen werden oder vergessen werden – oder- fast noch schlimmer – regional überbeansprucht werden. Denn ein Ausfall, eine falsche, dysfunktionale Bewegung bedeutet auf der größten „Trainingsfläche“ der Welt – in der freien (wilden) Natur – den sicheren Tod.

Wir können uns jede Menge abschauen

Trotz dem Ernst der Lage, kann man aber – vor allem bei jungen Pferden – auch in der rauhen Wirklichkeit der „Freiheit“, die Freude an ihren Bewegungen beobachten, wenn sie sich spielerisch auf ihre Rollen im Leben vorbereiten. Das ist eine geniale Einrichtung der Natur. Was der Körper dringend benötigt, macht Spaß. Mit der Freude am Tun erinnert die Natur an Essen, Schlafen, Bewegen und ja, auch an die Fortpflanzung.

So können wir beobachten, welche rasanten Richtungswechsel und Sprünge die Pferde stolz ihrer Umgebung präsentieren, welche langsamen, dynamischen und wundervoll kadenzierten Bewegungen Pferde zeigen können, die sie in ihrer angeborenen Bewegungslust produzieren – dabei auf den Hinterbeinen balancieren und beim Galoppieren fast nicht den Boden berühren – und am besten alles auf einmal. Das ist Bewegungsfreude pur, und das ist „Bewegungen lernen fürs Leben“ – das ist die MOTORIK des Pferdes.

Bewegungen ohne Motorik

Andererseits kennen wir aber leider auch die in sich gekehrten Reitpferde in einem Stall oder Offenstall. Passiv und ohne Lebens- und Bewegungslust, weil ihnen die natürlichen Bewegungsanreize der Umgebung fehlen. Der Verlust an natürlichen Sinnesreizen und Bewegungsanreizen zeigt den unvermeidbaren Verlust des unverfügbaren Pferdekörpers ohne plastisch angeordnete Körperanatomie sehr deutlich – und auch den unaufhaltsamen Verfall.

Monotone Bewegungen die nicht über die Motorik des Pferdes ausgeführt werden

In meiner Begegnung mit unzähligen Pferden muss ich immer wieder beobachten, dass die „Bewegungskarrieren“ und parallel dazu die „Reitpferdkarrieren“ der Pferde bestimmt werden durch bewegungspassives, monotones Einstudieren von reiterlichen Bewegungsabläufen und den mechanisch unterstützten Übungs“anweisungen“ des Menschen.  Gehorsam und Leistung um – wortwörtlich – jeden Preis.

In meinen Augen zwingen wir damit das Pferd seine ursprüngliche, einmalige Bewegungskultur, sein Körperempfinden und seine Bewegungslust, aufzugeben – die wir doch andererseits so bewundern. Und ich gehe noch einen Schritt weiter: das mechanische, monotone Üben hemmt das Pferd in seiner natürlichen Entwicklung, anstatt zu fördern. Also – was und vor allem wem bringt so eine Ausbildung etwas?

„Wie kann sich das Pferd bewegen – wenn es sich nicht bewegen kann?“

Für mich verbietet es sich, eine „Ausbildung“ des Pferdes – also eine Vorbereitung des Pferdes auf das Leben mit uns und für unsere Welt – auf ein stures Üben von Bewegungsmustern und Abläufen zu reduzieren.

Wir haben eine Verantwortung

Pferde sind – nachdem WIR sie in unsere Gesellschaft geholt haben – völlig auf unsere Unterstützung angewiesen. Den Pferdekörper bestmöglich auf eine Welt des Menschen vorzubereiten, die so extrem bewegungsarm und unnatürlich geworden ist, sollte unsere erklärte Aufgabe und zugleich unser Ziel sein. Wir können nicht VOM PFERD erwarten, dass es sich an unsere schnelllebige Zeit anpasst, indem es seine angeborene Bewegungsfähigkeit verliert und seine Gesundheit gefährdet.

Im Laufe von nunmehr ca. 30 Jahren, die ich mich mit Bewegungen, Bewegungslernen, Motorik – immer alles in Verbindung mit der genialen Funktionalität des Pferdekörpers – beschäftige, habe ich „Millionen“ von Informationen, Thesen, Konzepten, Methoden, Regeln usw. kennengelernt. Ich habe sie am Pferd beobachtet, darüber gelesen oder selber ausprobiert. Aber es ist bezeichnend, faszinierend und für uns Menschen ein guter Hinweis für die Genialität eines Körpers, dass es immer die ganz simplen Impulse sind – die, die mit ganz wenig auskommen, die die Motorik entfachen.

Es sind die einfachen Bewegungen, die, die über die Sinnes- und Nervenleitungen des Pferdes gehen, die das Pferd zurück zu seinen Ursprüngen, und der wirkungsvollen Einfachheit eines hochkomplizierten Körpersystems bringt – und zu seiner einzigartigen, unverwechselbaren Motorik.

Trainingspläne direkt aus der Natur

Ich kann ihnen deshalb mit der BIOMOTORIK keine neuen, sensationellen, umwerfenden, herausragenden Übungen und Lektionen anbieten, die das Pferd dann FÜR DEN MENSCHEN händelbarer machen. Genauso wie ich Ihnen keine neuen Reitstrategien als Ersatz für ihr Können, ihre Bewegungsfähigkeit, ihren Kontakt und ihre Kommunikation mit dem Pferd bieten kann. Aber…

Die BIOMOTORIK weckt, was in uns steckt

..ihre biologischen Bewegungen – die das Pferd versteht, müssen Sie in sich selbst suchen – aber ich sage es ja, die Natur ist einfach klasse, denn die sind schon IN IHNEN. Und wenn sie möchten, kann die BIOMOTORIK und ich bei der Entwicklung von Fähigkeiten unterstützen, die das Pferd VON UNS braucht. Damit wir dem hochsozialen, sanften, und dem Menschen sehr zugewandten Wesen des Pferdes gerecht werden können, das UNS so viel besser wahrnehmen und lesen kann, wie wir es jemals können werden und damit sich das ganze Potenzial des Pferdes und seine umwerfenden Fähigkeiten entfalten können.

Die BIOMOTORIK des Pferdes

Die BIOMOTORIK steht für die wirkungsvolle Einfachheit von Pferdebewegungen, die das Pferd zu seiner plastischen Anatomie führen. Sie verbindet all das, was im Pferdekörper angelegt ist mit den spielerischen Bewegungsanreizen, genau wie in der natürlichen Ausprägung des Körpersystems Pferd. Nicht nur deshalb ist die BIOMOTORIK für uns ein so tolles „Werkzeug“, weil wir damit dem Pferd seinen verloren gegangenen Bewegungsbezug wieder geben können, sondern weil wir
damit das Pferd, seine Bewegungen, seine Bewegungsmöglichkeiten, seine kadenzierten Bewegungen und nicht zuletzt – das Reiten mit einem Pferd in seiner BIOMOTORIK – aus einem ganz neuen Blickwinkel kennenlernen können.

Dieser Blickwinkel ist allerdings nur für uns neu – für das Pferd ist dieser Umgang mit seinem Körper – die angeborene, biologische Motorik seines Körpers – bereits viele tausend Jahre alt – ganz einfach deshalb, weil eine gut ausgebaute Motorik eine Überlebensnotwendigkeit für das Pferd war – und immer noch ist.

Den Weg des Menschen zu den angeborenen Bewegungsfähigkeiten des Pferdes habe ich übrigens mit voller Überlegung und folgerichtig BIOMOTORIK genannt.