Die biologische Methode

Die „Biologische Methode“ – die Reitform in Selbsthaltung

Was ist für mich besonders wichtig an der „biologischen Methode“? Was genau ist so wichtig, dass ich es hier – ganz an den Anfang schreiben und erwähnen möchte?

Ganz spontan fallen mir gleich zwei Dinge ein: einmal ist es die Anregung der „natürlichen Atmung“ bei Pferd UND Mensch, die aus der beengten, zwanghaften Maul/Mundatmung, eine sich selbst befreiende und regulierende Nasen/Zwerchfellatmung machen kann. Warum Pferd UND Mensch/Reiter einen fein regulierten Atemfluss brauchen, ist wohl selbsterklärend – denn genau aus diesem Mangel heraus lassen sich ganz viele Stoffwechselerkrankungen, Gelenkserkrankungen und – na, klar – Atemwegserkrankungen – also sogenannte „Vorerkrankungen“ auf den defizitären Atemfluss zurückführen.

Als zweites kommt mir die Gleichgewichtsanreizung in den Sinn. Ebenfalls bei Menschen/Reiter und Pferd. Die Gleichgewichtsanreizung (durch die Placements/“biomotorischen Übungen“) stellt eine elementare Kraft im Körper dar, die alle Sinnesempfindungen anregt, reguliert und integriert. Dabei wird sehr offensichtlich die ganze sensomotorische und psychomotorische Entwicklung – immer perfekt angepasst an die jeweiligen Entwicklungsstand, stimuliert. Je vielfältiger diese Funktionen „trainiert“ werden, desto sicherer wird sich das betreffende Pferd und der Mensch/Reiter in und mit seiner Umwelt bewegen und auch in ihr handeln können. All das ist die perfekte Vorbereitung für ein „Reiten in Selbsthaltung“.

Der Gleichgewichtssinn

Welche immense Bedeutung der Gleichgewichtssinn  im Leben von hochkomplexen Sinneswesen (ja, auch wir dürfen uns dazu zählen) einnimmt, dass seine Umwelt über Stimmungen wahrnimmt, und wie eng tatsächlich das körperliche und psychische Gleichgewicht miteinander verknüpft sind, zeigt sich deutlich im Sprachgebrauch: In seiner eigenen Mitte ruhen/ Unausgeglichenheit/ Bewegungen, die sich die Waage halten/den Halt verlieren/ eine sichere Grundlage (Reitersitz!) haben / einen sicheren Stand haben/ auf eigenen Beinen stehen/ auf seinen Standpunkt beharren (sich versteifen).

Bewegen nicht funktionieren

Wie wichtig die Entwicklung seines Gleichgewichtssinns für das Pferd ist, das urplötzlich mit einem fremden „Gewicht“ auf seinem Rücken zusätzlich klarkommen muss (dabei alle früher erlernten Funktionen komplett über den Haufen werfen muss) sollte eigentlich der Reiter am allerbesten verstehen. Weil sich auch seine bisher erlernte, körperliche Welt auf dem Pferderücken – so ca. 1m über dem Boden – genauso komplett ändert. Wie sorgfältig er deshalb unabhängige (unabhängig vom eigenen Körper) Bewegungen, die durchlässig und losgelassen für seinen eigenen Körperfunktionen sein müssen, praktisch neu erlernen und vor allem neu erfahren muss, wird vor diesem Hintergrund sehr leicht verständlich.

Obwohl wir unser Gleichgewichterfahrungen sowohl für unsere Aufrichtung als auch die Atmung dringend brauchen, sind die Erfahrungsmöglichkeiten für den Gleichgewichtssinn, im ganz normalen Alltag von den meisten Menschen sehr rar und auch bei den meisten Pferden extrem eingeschränkt. Weder der Aufenthalt auf der grünen Wiese, im Offenstall mit betoniertem Boden, noch der Bürostuhl oder das Gehen auf geraden Böden bergen Möglichkeiten für Gleichgewichtserfahrungen.

Wenn man diese grundlegenden Voraussetzungen der Körper in Betracht zieht, versteht man „das Reiten“ plötzlich ganz anders. So ist es zumindest mir gegangen. Aber auch bei mir hat es gedauert, bis ich mir selbst zugestanden habe, das wohleinstudierten reiterliche Bewegungsmuster auf dem Pferd alle die Bewegungen zunichtemachen, in denen der Körper sich selber erkennen möchte, um dann mit vollkommener, augenblicklicher Präzision die Positionen und Bewegungen des Pferdes zu erfassen, sie annehmen und ihnen verlässlich und sicher eine Rückmeldung geben zu können.

Ein anderes Reiten entsteht

Reiten wird dann zu einem Zusammenwirken mit einem Pferdekörper, der sich selbst versteht und der sich mit dem Menschen auf seinem Rücken verständigen kann, der genauso verständig und verständlich mit seinem Körper umgehen kann, so gut aufeinander abgestimmt, das beide gemeinsam auf die unterschiedlichsten Situationen und Bewegungsanforderungen reagieren können. Verstehen Sie? Es ist die selbst regulierte Verfügbarkeit des Körpers und nicht antrainierte reiterliche Bewegungsmuster, die Reiten zum Reiten macht.

Körperlich so ausgestattet können Sie sich auch ganz charmant über eingefleischte Reit-Hierarchien hinwegsetzen, die mit dem äußerst sensiblen Wesen des Pferdes in der „Ausbildung“ ganz was anderes im Sinn haben und somit auch andere Dinge in den Fokus stellen. Es fällt dann sehr leicht, nicht dem Mainstream nachgehen zu müssen (wie man heute so schön sagt) – wenn man weiß, dass technisch und mechanisch hergestellte Bewegungen nie ein kadenziertes Reiten in Selbsthaltung erreichen werden.

Übrigens, wenn Sie ihre beiden Selbsthaltungen erreicht haben, können Sie sich auf wieder in die konventionellen Reitausbildungen einklinken, genauso wie in alle weiteren reiterlichen Herausforderungen. Dann sind  auch Seitengänge in allen möglichen und unmöglichen Variationen angesagt.

Die „Biomotorik“ und ich, möchten Sie jedenfalls dazu anregen, körperlich intensiver mit ihrem Pferd in Kontakt zu kommen. Das ist dann auch die die interaktivste und älteste Weise der Kommunikation die es gibt – nämlich mit ihrem ganzen Körper in einen fast unglaublich feinen, kommunikativen körperlichen Austausch zu kommen und das Pferd in seiner weiteren Körperentwicklung – bis hin zu den kadenzierten Gängen – mit denen meiner Meinung nach erst das „richtige“ Reiten beginnt – im sensiblen Prozess seines Körpers zu unterstützen.

Mit der „biomotorischen Methode“ möchte ich sie dazu ermuntern, sich bewusst auf die körperliche Entwicklung des Pferdes einzulassen, die dann unbewusst und spielerisch – ohne jeden Zwang zu einem anderen Reiten hinführt. Ich möchte Sie dazu anregen die körperliche Entwicklungszeit – und seine aufeinander aufbauenden Phasen genauso bewusst zu erleben, auch weil Sie selbst – gemeinsam mit dem Pferd – dabei körperlich wachsen werden.

Wenn Sie die Möglichkeit haben, viele Pferde in ihrer Entwicklung zu begleiten – nutzen Sie es! Die Erfahrungen, die Sie mit den individuellen Pferdepersönlichkeiten machen, sind für Sie unendlich wertvoll – sie werden es merken.
Wenn Sie dagegen „nur ein“ Pferd in ihrer Obhut haben – werden Sie damit belohnt, mit ihm eine wirklich sehr tiefgreifende Bindung zu erleben. Und auch wenn Sie bereits gedacht haben, dass sie mit ihrem Pferd sehr eng verbunden sind – ein so intensiver Austausch auf einer gemeinsamen körperlichen Ebene ist mit nichts zu vergleichen.

Die „biologische Methode“ möchte Sie also anregen, auf eine andere Weise wie bisher mit ihrem Pferd in Kontakt zu treten. Kommunikativer als Sie sich das vielleicht jemals vorstellen konnten, es in seiner gesamten Entwicklung zu unterstützen – ihm aber auch seine ganz persönliche Art, seine individuellen Bewegungen und Fähigkeiten zu lassen. Und auch die Zeit, die es dafür braucht – denn es geht um nichts geringeres wie um seinen Körper. Um den Körper des Pferdes (ohne den es auch kein „Reiten“ gibt)

Ich selber beschäftige mich seit über zwanzig Jahren mit der „Biomotorik“ des Pferdes (auch wenn es früher noch nicht so geheißen hat) Trotzdem bin ich immer wieder aufs Neue fasziniert zu erleben, wie instinktiv Pferde wissen – und auch deutlich zeigen – mit welchen Bewegungen sie in ihrer Entwicklung „weiter kommen“ und mit welchen nicht. Und auch was sie tatsächlich leisten könnten, wenn man ihre natürlichen, angeborenen Bewegungen zulässt und nur die Bewegungserfahrungen und den „natürlichen Atem“ unterstützt und steuert.

Ganz bestimmt ist es anfangs nicht immer einfach die Bewegungsbedürfnisse des Pferdes wahrzunehmen, vor allem wenn der Pferdekörper vollgepackt ist mit Bewegungseinschränkungen, Einbindungen, Spannungen, Unsicherheiten, Ängstlichkeit, oder sogar mit der Wut des Pferdes. Wie ich es eingangs beschrieben habe – die Emotionen des Pferdes, seine Psyche und sein Verhalten daraus, sind immer auf das Engste gekoppelt mit Bewegungen im Gleichgewichtssinn. Aber da habe ich ein hervorragendendes „Werkzeug“ im Angebot – das „Haltetraining“ der Hengstspiele, gibt dem Pferd zwar die volle Dynamik seiner Jugend zurück – zugleich lernt es aber spielerisch und ohne Zwang sich zu regulieren aber auch sich sogar im vollen Lauf sich vom Menschen regulieren zu lassen.

Wir sind vom Verhalten des Pferdes angewiesen – also machen wir gemeinsam was draus

Das Verhalten des Pferdes können wir genauso wenig verändern, wie beim Menschen – aber wir können den Bewegungen eine andere Richtung, einen anderen Lauf und einen anderen Fokus geben. Und allein damit, ändert sich für das Pferd die Welt. Denn genau das bewirkt einen anderen „Umgang“ zwischen Ihnen beiden. Es geht um das „Gesehen werden“ – eines der Grund-Grund-Grundbedürfnisse von sensiblen, sinnesbegabten Lebewesen.

Was macht was?

In der vorliegenden „biologischen Methode“ gebe ich im Wesentlichen praxisbezogene Hinweise und Anregungen. Theoretische Hintergründe stelle ich auf dieser Webseite nur so weit dar, wie sie zum besseren Verständnis notwendig sind. Es ist sehr gut möglich, dass Ihnen vieles von dem, was ich beschreibe und zusammenfasse, bekannt vorkommt, weil Sie es – vielleicht einem Bauchgefühl folgend – schon genauso machen. Es hier – in der „Biomotorik des Pferdes“ beschrieben zu sehen, bestätigt den Menschen/Reiter – damit können sie sich in ihrem Tun sicherer fühlen – und ihr Pferd dadurch bewusster erleben.

Die biomotorischen Übungen

Mit den „biomotorischen Übungen“ erfahren Sie dann, wie Sie ihr Pferd in seinen Entwicklungsphasen begleiten und unterstützen können. Ich gebe ihnen die Anleitungen und Anregungen für Körperspiele, die alle die atembasierte Verfügbarkeit des Pferdekörpers im Vordergrund haben. Erklärungen, was sie jeweils für die Psyche und die Physis des Pferdes tun, ergänzen die Anregungen. Dank der biomotorischen Beschäftigung miteinander lernen nicht nur Sie ihr Pferd – und sein Verhalten (das immer einen Grund hat), sondern ihr Pferd lernt SIE und ihre Reaktionen besser kennen und einzuschätzen. Wodurch sich bei Ihnen beiden die Körpersicherheit immer besser einstellen kann.

Mit den biomotorischen Übungen wird der Gleichgewichtssinn, die natürliche Atmung und die selbst empfundenen Bewegungserfahrungen in besonderem Ausmaß aktiviert. Und zwar bei Pferd UND Mensch. Im Gegensatz zum „muskulären System“ bei dem die Bewegungsabläufe vorher schon festgelegt sind und durch Wiederholungen möglichst genau nachvollzogen werden sollen, werden die Bewegungen in den „biomotorischen Übungen“ nicht geplant und vollziehen sich nicht nach einem Schema, sondern entwickeln sich aus dem Erspüren der eigenen Bewegungen im Zusammenspiel mit dem Menschen. Vielleicht probieren Sie sie mit Ihrem Pferd einfach aus. Ich wünsche Ihnen viel Freude am gemeinsamen Spiel!

Die „natürliche Atmung“ des Pferdes als Vorbereitung auf kadenzierte Gänge

Der „natürliche Atmung“ des Pferdes ist NATÜRLICH in der „biomotorischen Methode“ DER Bestandteil jeden Reitens und jeder Reitvorbereitung. Die fortlaufende und aufeinander aufbauende Erweiterung des Pferdekörpers für den eigenen Atemprozess während aller Entwicklungsphasen DER rote Faden, an dem sich alles orientiert. Denn ganz ehrlich, was ist ein künstlich antrainiertes Bewegungsmuster wert, wenn der Atem dabei keine Freiheit hat? Was ist ein Reiter für das Pferd „wert“, der stocksteif ohne durchlässigen Atem und damit ganz und garnicht unabhängig, irgendwelche Sitzanweisungen befolgt?

Reiten in Selbsthaltung

Auch wenn sie es damals nicht so genau benannt haben, aber seit Jahrtausenden bringen Reitmeistern den Pferden (und Reitschülern) bei, wie man sich eine „natürliche Atmung“ aneignen kann. Weit weg von Atemtechniken, wurde der Körper des Pferdes „verfügbar“ gemacht. Die Durchlässigkeit, die freie Aufrichtung, die gerade Ausrichtung, die Verfügbarkeit des Pferdekörpers sind daher bis heute die Eckdaten einer wirklich klassischen Reiterei, die ihren Namen auch verdient, und die mit der unbedingten Elastizität der Atemhilfsmuskeln zu kadenzierten Bewegungen des Pferdes in Selbsthaltung führen soll und sollte.

Reitkunst ist die verfeinerte Kunst des Pferdes frei atmen zu können

Die „natürliche Atmung“ des Pferdes wirkt sich förderlich auf die gesamte Gesundheit des Pferdes aus. Sie verbessert die Funktion und Leistungsfähigkeit von Herz, Lunge und anderen Organen und Körpersystemen und seinen „Stoffe-Wechselungen“. Sie fördert die emotionale Ausgeglichenheit des Pferdes und versetzt das Pferd in die Lage, auch Stress und Druck, die es empfindet in innere Bewegungskraft umzuwandeln, und es auch zu seiner „Selbstheilung“ und Selbstentfaltung zunutze zu machen. Ja, man könnte sogar bei seinen atmenden Bewegungen von einem „Ventil“ sprechen, mit denen das Pferd alles was schwer zu verkraften ist, in Bewegung umzusetzen.

In diesem Sinne verfolgt die „biologische Methode“ drei Anliegen: dem Pferd zu „mehr Körper“ zu verhelfen, was sich sofort in seinem Verhalten äußert. Dem Mensch/Reiter zu mehr Leichtigkeit zu verhelfen, die nur entstehen kann, wenn das Pferd einen verfügbaren Körper hat. Und schließlich ist die biologische Methode DER Leitfaden zum „Reiten in Selbsthaltung“ schlechthin, weil es im „Angebot“ die kadenzierten Gänge des Pferdes hat, und sich von einer anderen Seite – aber um so direkter einer „Reitkunst“ nähert, bei dem sich Pferd und Reiter aneinander freuen, und damit die höchste „Qualität“ der Reiterei erreichen können (das ist aus vielen Gründen mein persönliches Anliegen).

Trotzdem – und da wiederhole ich mich gern, müssen wir erstmal die vielfältigen Herausforderungen – aber auch die eingeschlichenen Gewohnheiten durchleuchten, die sonst eine biomotorische Reitkunst in Selbsthaltung unmöglich – oder zumindest in weite Ferne rücken lassen. Auch hier – konkrete Hinweise und Herangehensweisen möchten Ihnen als Wegweiser dienen.

Ich bin sehr, sehr dankbar, dass ich so viele Möglichkeiten hatte, von und mit meinen eigenen, aber vor allem den unzähligen anderen Pferden und ihren Besitzern viel „Biomotorisches“ lernen zu können, das sind Erfahrungen, die ich heute direkt an Sie weitergeben kann. Die in mir das Interesse an einer umfänglichen „biologischen Methode“ wachsen ließen, und sich aus genau diesen Gründen auch ständig weiter erweitern. Aber wir sind doch im Austausch mit unseren Pferden, um mit – und voneinander zu lernen. Ich jedenfalls lerne ich immer noch von jedem einzelnen Pferd dazu.

Ich wünsche Ihnen und ihrem Pferd, dass Sie sich täglich Zeit nehmen können, um sich intensiv körperlich miteinander austauschen, die beschriebenen „biomotorischen Übungen“ auszuprobieren und dann bei allem, was sie miteinander vorhaben, viel Freude miteinander haben.