Die Entstehung des biomotorischen Trainings

Auf der Suche nach dem Körpergefühl des Pferdes…
und die Entstehung des „biomotorische Trainings“

Al Shabaab

Das Pferd verändert sich in seinem Körper ständig. Welcher Züchter kennt das nicht, dass das Pferd mal eckig, mal überbaut und dann wieder wunderschön rund und abgedreht aussieht. Und natürlich macht sich der Pferdebesitzer darüber Gedanken, wenn etwas beim oder mit dem Pferd nicht so „läuft“ wie er sich das vorstellt.

Weil sich das Pferd so ständig und beständig verändert, habe ich mich immer gefragt, warum der Mensch seine Zeit nicht mit sinnvolleren Dingen zubringt, wie mit dem Pferd Bewegungen einzustudieren, die in der nächsten Woche nicht mehr dem Stand des Körpers entsprechen. Anerzogene Bewegungen entscheiden doch nicht darüber wie zufrieden oder gesund ein Pferd ist?

Warum aber machen dann so viele Pferdebesitzer den gleichen Fehler? Warum verschwendet der Mensch so viel Energie, um den Pferdekörper in seinen eigenen, angeborenen Bewegungsmöglichkeiten und Fähigkeiten zu kritisieren, Dauerzubewerten- und optimieren, und ihm dann künstliche Bewegungen beizubringen. Warum helfen wir dem Pferd nicht stattdessen, die Möglichkeiten die der Pferdekörper hat weiterzuentwickeln? DASS wäre doch im Sinne des Körpers.

Warum tun wir das nicht?

Vielleicht weil wir glauben, so alles, und vor allem das Pferd besser unter Kontrolle zu haben. Weil wir vielleicht hoffen, dass viele Muskeln das Pferd gesund machen, und weil versprochen wurde, dass ein blindwütiger Muskelaufbau wichtiger für das Pferd ist, als ein gutes Körpergefühl.

Die Idee, alles ist machbar mit dem Pferdekörper, ist Wahnsinn

Reitregeln kaschieren im Prinzip die eigene Orientierungslosigkeit des Menschen – der Besuch des zehnten Seminares und der zweiwöchentliche Reitunterricht demonstrieren das. Der Mensch sehnt sich augenscheinlich nach etwas, das ihm vorschreibt, wie er mit dem Pferd umgehen muss – die Suche also nach der Gebrauchsanweisung. Im Grunde hängt der Reiter in der Luft und kommt zu dem Schluss, nur wenn er dem Pferd viele Muskeln aufbaut (oder wahlweise dem Pferd auf der Wiese die Natur zurückgibt) und es möglichst einmal am Tage reitet, lebt es gesund. Aus der Idee sich nur das Beste aus Ausbildungen rauszupicken, entsteht ein ziemlicher Wahnsinn für den Pferdekörper.

Denn es entstehen ziemlich „ausgebeulte“ Pferde daraus, aus der Funktionalität ihres Körpers gerissen, die man an allen Ecken und Enden „reparieren“ muss. Wir trainieren mit dem Pferd Bewegungen, auf denen „Repair“ schon draufsteht, weil uns eingeredet wird, dass müsse so sein. Obwohl wir in den verschiedensten Pferdeställen leider unendlich viele „Beweise dafür haben, das optimiert, nicht automatisch gesünder macht.

Wie fühlt sich das für das Pferd an?

Das Pferd kann sich gar nicht mehr richtig spüren – meistens nur über die Körperteile, die schmerzhaft sind oder gar nicht funktionieren. Es löst sich quasi innerlich auf. Viele Pferde resignieren dabei. Aber manche steuern dagegen an – bieten dem Menschen Widerstand gegen die Ausbeutung ihres Körpers, und möchten die Kontrolle und die Steuerung ihres Körpers wieder zurückgewinnen. Für diese „Fälle“ rüstet der Mensch auf – mechanisch oder „erzieherisch“ wird jeder Widerstand des Pferdes gegen den Menschen unterdrückt. Obwohl das Pferd doch nur für die Funktionen seines Körpers kämpft…

Das Pferd verhungert innerlich

Denn während das Pferd vom Menschen daueroptimiert- und dauerbewertet wird, vergisst der Mensch, was DEM PFERD guttun würde. Es scheint fast, als würde eine reitgesellschaftliche Instanz den Reitern einflüstern, nur perfekt geritten und mit vielen Muskeln, kann das Pferd überleben. Denn das Diktat lautet noch immer: Muskeln aufbauen, Reitfortschritte machen, das Pferd erziehen und die perfekte Nahrung zusammen stellen. Dazu ist fast jedes Mittel recht.

Dass das Pferd dabei innerlich – an seinen eigenen Organen verhungert, interessiert irgendwie nicht. Es wird nicht akzeptiert, dass sich das Pferd auch selber bewegen darf, nein muss – was man in vielen Reithallen an den Freiläufe-Verboten sehen kann. Obwohl das ein absolutes Grundbedürfnis des Pferdes ist. Warum? Vielleicht weil der Mensch glaubt, das Pferd dann nicht im Griff zu haben.

Dauerentspannung oder Daueroptimierung

Wenn der Mensch dann nicht mehr weiter weiß, stellt er das Pferd auf die Wiese – gibt ihm „die Natur zurück“ und tut dann gar nichts mehr mit ihm, außer vielleicht ein paar doofen Menschenspielen. Anscheinend nicht wissend, dass sich eine Dauerentspannung- und Schonung für das Bewegungstier Pferd in eine katastrophale Überbelastung der Körperfunktionen wandelt und das Pferd in seinen Bewegungen extrem verunsichert. Eigentlich sollten wir das ja von uns kennen.

Die „Freiheiten“ die das Pferd heute – ohne Leistungsdruck haben könnte, sind großartig. Aber sie implizieren auch, dass der Mensch es buchstäblich in der Hand hat, ob das Leben des Pferdes gut läuft oder nicht!

Wir müssen etwas in unseren Köpfen verändern statt am Körper des Pferdes

Ich fand, die Zeit war reif, das zu ändern. und beschloss, herauszufinden, was man dagegen tun kann, dass Pferde in der Obhut des Menschen so wenig Körpergefühl haben dürfen. Wenn wir zum Beispiel Turniere danach benoten würden, wie viel Körpergefühl das Pferd hat, müssten wir flächendeckend die Note 6 – ungenügend verteilen. Und nur mal so zum Verständnis. Das eigene Körpergefühl des Pferdes ist die Grundlage zum gesunden und zufriedenen Bewegen!

Die Suche nach gutem Körpergefühl

Aber jeder von uns kann sich die Frage stellen ob er das so möchte. Und wenn man schon dabei ist sich Fragen zu stellen, gleich weiter zu machen und sich zu fragen,  was mit dem Pferd passiert, wenn wir 80 – 90 % unserer Energie nur in Muskelaufbau reinstecken um ein „gutes“ Reitpferd zu erhalten. Und was das im Innersten des Pferdes ausmacht, das ja diesen Muskelaufbau und das „gute“ Reitpferd ermöglichen soll und durch unsere schlechte „Pflege“ immer dünnhäutiger, brüchiger und verletzlicher wird. Und was ist, wenn dann dadurch das ganze Körpersystem des Pferdes kippt?

Auf der Suche nach dem Körpergefühl des Pferdes ist das „biomotorische Training“ heraus gekommen. Es stellt beide Körper (vom Menschen und vom Pferd), ihre Möglichkeiten, Fähigkeiten und ihre wechselseitige Weiterentwicklung in den Mittelpunkt, setzt sich für mehr Bewegungsvielfalt beim Reiten und im Alltag des Pferdes ein und feiert damit die Bewegungsmöglichkeiten des Pferdes, die es hat – und die von Haus aus schier unendlich sind.

Durch das „biomotorische Training“ können wir wieder sagen: „Der Pferdekörper ist die Natur des Pferdes – ich will da nicht eingreifen, da mache ich nicht mit“. Wir können das noch. Unser Körper kann das auch noch, denn noch kann er es wieder erlernen, mit dem Pferd auf Augenhöhe umzugehen.