Pferde sollen wollen dürfen

Welches Gefühl erzeugen diese beiden Fotos bei Ihnen? Können Sie sich an der ungehemmten, im wahrsten Sinne zügellosen, überschäumenden Dynamik des Pferdes freuen? Oder erzeugt das Bild eher ein ungutes Gefühl bei Ihnen, lösen solche Bewegungen des Pferdes vielleicht Ängste in Ihnen aus. Fühlen Sie sich sicherer beim Anblick des zweiten Fotos, bei dem der Mensch das Pferd „im Griff“ hat?

Die meisten Menschen schwanken tatsächlich zwischen beiden Fotos – finden das erste zu „wild“ und empfinden beim zweiten, dass der Mensch zu sehr in die Bewegungen des Pferdes eingreift.

Aber kann man die Bewegungen des Pferdes überhaupt gesunderhaltend fördern, und dabei an alle die vielen Wichtigkeiten im Pferdekörper denken? Wie z.B.  an die Bewegungsfähigkeit der Wirbelkette, die Atmung, die Funktionsmechanismen des Kiefers, die Wirbel, Gelenke, an das Zusammenwirken des Körperbaus usw.

Die BIOMOTORIK

Seit mittlerweile vielen Jahren beschäftigen ich mich mit all diesen überaus spannenden Themen und untersuche die körperliche Wechselwirkung zwischen Pferd und Mensch – aber vor allem die unendlichen Einflussfaktoren, mit denen der Mensch auf das hochkomplexe Körpergeschehen des Pferdes positiv oder negativ einwirken kann. Ganz klar – die BIOMOTORIK ist eine andere Sichtweise – dafür mit unglaublichen Ergebnissen. Für das Pferd – und auch für den Menschen.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse daraus ist, dass Pferde völlig anders „lernen“, als wir so landläufig annehmen. Pferde lernen Bewegungen ausschließlich über Interaktion (wie jeder leicht selbst überprüfen kann). Dabei zeigt sich, das Gesundheit, Ausdruck, Qualität (in Bezug auf belastenden Abrieb) und die Vielfalt von Pferdebewegungen einerseits immer vom Grad der möglichen, interaktiven Bewegungsentwicklung abhängig ist und zum anderen von menschlichen Manipulationen und Einflussnahmen.

Wie lernt ein Pferd?

Pferde üben Bewegungen – die immer eine entwickelter Bewegungsform vorbereiten – aus eigener Initiative und führen sie selbstständig in den verschiedensten Variationen immer wieder aus. Im Vergleich zu dem Üben mit dem Menschen hat das den Vorteil, dass es nicht krampfhaft oder mit gespannten Körperteilen geschieht, sondern bei gut gewählter, angepasster Muskelkoordination und ohne den Körperbau zu belasten. Pferde „üben“ ihre Bewegungen nicht nur zeit- und stundenweise, sondern kontinuierlich, unspektakulär, in kleinen Schritten und Einheiten.

Auf diese Weise werden die Bewegungen des Pferdes buchstäblich ein organischer Bestandteil ihrer täglichen Aktivitäten und sehr stark abhängig von den Anreizen der Umwelt. Von ägyptischen Arabern ist bekannt, dass sie in ihrer Jugend z. B. mit Antilopen zusammengeführt wurden, weil die eben ständig in Bewegung sind und das Pferd zu vielen Bewegungen animieren konnten.

Die Animation von Bewegungen ist unsere Aufgabe

Pferde wollen – auch darin sind wir uns ähnlich, immer wieder neue Bewegungen entdecken, erfahren und erleben und dabei nicht in langweiligen abgezirkelten Widerholungsschleifen steckenbleiben, die nach der Uhr ausgeführt werden. Die Suche nach noch besseren, noch einfacheren Bewegungen ist deshalb auch das biologische Überlebensprinzip einer intakten Familienherde in der Natur, denn schlechte Bewegungen machen langfristig Stress. Und Stress ist etwas, was man sich in der Natur überhaupt nicht leisten kann – denn Stress nimmt den Atem.

Damit sich das Pferd in seiner Haut bzw. seinem Körper wohl fühlen kann und seine Bewegungen natürlich entwickeln kann, muss das Pferd bei uns ähnliche Bedingungen vorfinden können wie in einer intakten Familienherde. Aber auch für den Menschen ist die begleitende Verbindung außerordentlich wichtig, damit wir das Pferd in seinen Reaktionen verstehen können und es immer besser einschätzbar für uns wird.

Machtreflexe des Menschen?

„Machtreflexe“ auf Reaktionen des Pferdes sind dagegen eine äußerst schwächliche Reaktion des Menschen, die einiges an Konfliktpotential beinhalten und nichts zu einer körperlichen Entwicklung des Pferdes beitragen.

Denn wie ver-halten WIR uns denn, wenn es uns irgendwo nicht gefällt oder wenn wir uns unwohl oder unsicher fühlen? Richtig, wir halten uns unbewusst im Körper fest – das ist die naheliegendste Reaktion unseres Körpers auf Situationen und Umstände, die sich schlecht anfühlen. Keine gute Ausgangsbasis, um schöne, weiterführende und aufbauende Bewegungserfahrungen zu machen.

Ich habe das selbst schon oft beobachtet. In Reitstunden oder Turnieren kann man Pferde sehen, die die schwierigsten Lektionen oder Hindernisse bravourös bewältigen. Aber kaum sind Pferd und Mensch mit ihrer Darbietung oder auch mit ihrer „Reitstunde“ fertig, weiß keiner, was der andere eigentlich von ihm will und was man mit ihm anfangen soll.

Sicher, es gibt viele „stille Momente“ in den wir die Verbundenheit mit dem Pferd ganz besonders spüren – aber wann eigentlich darf das Pferd SEINEN Bewegungsdrang und SEINE Freude an seinen Bewegungen ausleben, die es so dringend braucht wie Nahrung? Wie kommt das Pferd mit dem Bewegungsdefizit und seiner unterdrückten Bewegungsfähigkeit klar? Und wie der Mensch?

Der Weg ist vorgezeichnet!

Also geht es in der BIOMOTORIK vorrangig darum, wie man ein Pferd zu bewussten Bewegungen bringt, ohne es zu kontrollieren, ohne seine Bewegungen zu verhindern oder durch Manipulationen in seinen Bewegungsfluss einzugreifen.

In allen Phasen der BIOMOTORIK – vom ersten Tag an – lädt der Mensch das Pferd ein, die Initiative zu seiner Bewegung zu ergreifen und bietet Ihm damit einen perfekten Ersatz für das an, was das Pferd von seiner Familienherde nicht mehr bekommen kann. Das hat viele Vorteile zu traditionellen Ausbildungen, denn der Mensch hat die Bewegungsmöglichkeiten des Pferdes dabei trotzdem „in der Hand“, aber kann das Pferd in seinem freien Körperspiel von Anfang an „lenken“, ohne es in seinen Bewegungen zu beeinflussen – oder ihm die Luft abzustellen.

Das Pferd kann während der Gelassenheit der anfänglich „kleinen Schritte“ die angebotenen Bewegungsmöglichkeiten in seinem Tempo und Rhythmus zur Entfaltung seiner Bewegungen nutzen (wie in der Familienherde!) und der Mensch kann – äußerst wirkungsvoll übrigens – die physische und psychische Entwicklung des Pferdes außerordentlich vielseitig begleiten und fördern.

Das nimmt der Begegnung zwischen Pferd und Mensch schon mal viel „Sprengstoff“, weil beide damit eine „Aufgabe“ haben, der sie sich mit ihrem ganzen Körper, völlig ohne Druck, Stress und Zwang widmen können. Auch da begegnet uns die intakte Familienherde wieder, in der jeder seine Aufgabe hat. Und wenn jeder eine Aufgabe hat, die er erfüllen kann, fühlen sich alle wohl – jeder mit seinen Fähigkeiten, die ihm die Natur mitgegeben hat.

Während der Abstimmung mit dem Menschen kann das Pferd die Vielfalt seiner Bewegungen entdecken und gleichzeitig gut koordinierte Bewegungen, Ausdauer, Bewegungsfreude entwickeln. Aber genauso spielerisch lernt es kritische Situationen, die ihm früher Angst gemacht haben, zu differenzieren und abzuschätzen. Das Körpervertrauen, das das Pferd dazu braucht, wenn es in jeder neuen Situation sein Gewicht verlagert und eine neue Balance sucht, wird dem Pferd so selbstverständlich, dass es das in seinem täglichen Alltag selbst und mit viel Freude „trainiert“.

All das spiegelt sich zwar anfangs nur im freien Spiel des Pferdes wider – aber sowohl das Pferd wie als auch der Mensch nehmen die gemeinsam erlebten Bewegungserfahrungen begeistert auch in ihre Reitbewegungen mit und WOLLEN sie dann gerne auch in den verschiedensten Variationen und mit einer immer besseren und feineren körperlichen „Unterhaltung“ ausprobieren. So entsteht Reiten in seiner ursprünglichsten Kultur – organisch und mit viel Bewegungsfreude.

Das Fazit aus all diesen Erkenntnissen und zugleich die Grundlage der BIOMOTORIK ist, dass der Pferdekörper seine eigenen Gesetze hat, die beim Umgang mit dem Pferd selbstverständlich unser Handeln bestimmen sollten.

Und wenn WIR eine intensivere, verlässlichere Verbindung zum Pferd wollen, wenn auch WIR uns in der Gegenwart des Pferdes sicher fühlen wollen, müssen wir uns auch für dieses Empfinden verantwortlich fühlen und einerseits das machen, was das Pferd für seinen Körperbau braucht, aber vor allem auch das, was dem Pferd Spaß und Freude macht.

Es gibt einen Satz von der wunderbaren Karin Kuschik „wollen ist müssen – nur freiwillig“. Ich glaube die Suche nach dem freiwilligen WOLLEN des Pferdes beschreibt die BIOMOTORIK am besten und am kürzesten.

Ihre

Monika Buhl

hats-app oder Facebook. Aber genauso freue mich auf ein Telefonat mit Ihnen unter 0049 1516 1958339