Biologische Funktionen

Die Funktionen des Pferdekörpers und seine (meist negativen) Veränderungen

(Bitte beachten: dieses Foto soll diesmal nicht schön und ansprechend sein, sondern unser Bewusstsein auf die Veränderungen im Pferdekörper lenken, die meistens negativ sind.
Aber vor allem darauf, dass wir es buchstäblich in der Hand haben, die Veränderungen positiv zu gestalten)

Viele anatomische Besonderheiten machen das Pferd zum absoluten Spezialisten für Motorik. Wenn Wahrnehmung, Körpersicherheit und Koordination laufend abgerufen, erneuert und damit verfeinert werden – ist das Pferd sogar zu einer Feinmotorik seines Körpers (mehr unter Feinmotorik) fähig. Sogar im diversen Tierreich stellt das, ein besonderes Merkmal des Pferdes dar, denn dabei kann man eine geniale logistische Meisterleistung des Pferdekörpers beobachten.  Dem Menschen übrigens hat genau diese Feinabstimmung mit dem Pferdekörper über Jahrtausende hinweg ermöglicht, die „Früchte“ der Feinmotorik zum Reiten zu verwenden.

Der hochkomplexe Pferdekörper

Was aber so kompliziert ausgestattet ist, muss auch gut bedient und „gewartet“ werden (wir kennen das von den immer komplexeren Bordcomputern im Auto, bei den ein „rumschrauben“ schon lange nicht mehr möglich ist). Wird die angeborene Motorik des Pferdes, die die unbedingte Grundlage zu seiner Motorik darstellt (Grundlagenmotorik), missverstanden, oder nicht beachtet, kann das zu Fehlern und negativen Veränderungen im ganzen Körperfunktionssystem führen, die wiederum äußerst nachteilige Folgen für den motorischen Verbund im Körper haben.

Die Qualität der Grundlagenmotorik entscheidet über die Funktionen (physisch und psychisch)

Aus diesem Grund beschäftigen mich beim aktuellen Körperstatus eines Pferdes zuallererst die VERÄNDERUNGEN seines Körpers – die vom Körpersystem abweichen, und ihn von seinen angeborenen Funktionen entfremden. Die sich aber zwangsläufig ergeben, wenn in das angeborene Körpermuster und die Funktionsweisen eingegriffen wird. Übrigens ist es egal ob das „Methode“ hat, oder einfach aus Gedankenlosigkeit oder Unwissenheit entsteht. Eingriff ist Eingriff – und für den Pferdekörper einfach nur übergriffig.

Ein Funktions-entfremdeter Pferdekörper ist für niemand befriedigend…

Wir jedenfalls müssen in allen Phasen einer Ausbildung sehr genau darauf achten, dass das Pferd nicht „automatisch“ eine Haltung einnimmt – eine Körperposition, die es sich rasend schnell angewöhnt, weil die „antrainierten“ Strukturen des Körpers diesen Weg vorschreiben. Mit diesen eingeprägten und verstärkten Körpermustern hindert sich das Pferd selbst, die lebenswichtige Diversität an Bewegungen zu finden, die ihm in letzter Instanz immer – in jeder Ausbildungsphase – und bis in ganz hohe Ausbildungsklassen hinein, die Durchlässigkeit des Körpers gewährleistet.

So komplex das Zusammenspiel und der Verbund des Pferdekörpers auch ist…

…die Überlebensformel des Pferdekörpers ist einfach und unabhängig von Alter, Geschlecht oder dem momentanen Körperstatus. Sind die Anreize und Interaktionen der Umwelt (des Menschen!) vielfältig – so kann sich auch der Pferdekörper vielfältig und plastisch weiterentwickeln. Gibt es kaum Anreize von außen – sind sie gleichbleibend, gewöhnend und einseitig, und so wird sich der Pferdekörper auch nur einseitig in der „Rille“ seiner Muskulatur ausbilden.

Bekommt das Pferd aber fast gar keine Anreize, in einer langweiligen Umgebung (oder von einem „langweiligen“ Menschen) bleibt die Pferdebewegung buchstäblich im Körper stecken…
Ganz ohne neue Bewegungsvariationen kennenzulernen und indem er die immer benutzten Muskeln bei jedem Schritt in seiner „Rille“ mehr verstärkt, reagiert der Pferdekörper aber schnell mit „Fehlermeldungen“, die genau so ernst zu nehmen sind wie beim Auto.

Wieder einmal (und ich werde nicht müde, das zu tun) möchte ich Sie auf die „unbewussten Reflexe“ des Pferdes hinweisen, die dem Menschen so oft „ein Bein stellen“. Denn zusätzlich zu der Genialität seiner Motorik ist das Pferd ein Experte für Anpassungen an seine Umwelt. Die Anpassung an einfach alles, was von außen kommt, übernehmen eben die „unbewussten Reflexe“ und bilden deshalb die perfekte Überlebensstrategie des Pferdes. Leider sind sie nur für das Pferd so positiv.

Denn sie setzen das Pferd unter Stress. Von uns unbeachtet, sind sie deshalb nicht nur für die reiterliche Laufbahn des Pferdes äußerst hinderlich, sondern auch für die körperliche Weiterentwicklung des Pferdes – von der wir ja immerhin völlig abhängig sind und auch für den Umgang miteinander entscheidend sind. Wie schnell sie unsere richtige Einschätzung über Verhaltensauffälligkeiten des Pferdes verhindert, oder wir aneinander „vorbeireden“, ist jedem von uns bekannt.

Hindernisse auf dem Weg zur durchlässigen Bewegungsfähigkeit

Es sind so viele Faktoren der Umwelt und der Umgebung, die heute das Pferd in Kompensationsmechanismen hineinführen – und aus denen es selbst keinen Weg mehr herausfindet. Übersehen wir solche Signale des Körpers, wird die Situation des Pferdekörpers immer schwieriger, weil sich die vielen Symptome regelrecht im Körper „einfleischen“, sie werden über Muskeln in den Pferdekörper derartig „einzementiert“ – dass das Pferd gar keine andere Möglichkeit hat, als sich stabilisiert zu bewegen.

Mit den „biomotorischen Übungen“ kommen wir dem Körper des Pferdes zur Hilfe

Spannungszustände sind immer ein äußeres Zeichen dafür, dass der Pferdekörper es nicht mehr allein schafft, sich in einer wohlausgewogenen biologischen Balance und in einem Körperfunktionierenden Verbund zu erhalten. „Stehen lassen“, abwarten, „Schritt gehen“ mag ein frommer Wunsch des Menschen sein – hilft dem Verbund des Körpers aber herzlich wenig. Der Pferdekörper benötigt die aktive Unterstützung des Menschen, die aber immer eine Unterstützung des ganzen Zusammenwirkens – niemals aber eine weitere regionale „Verstärkung“ sein darf.

Bewegung ist so einfach:

Sie müssten gar nicht viel von „Ausbildung“ oder gar „Erziehung“ verstehen – auch wenn Sie ihr Pferd nur jeden Tag zu einfachen, ganz unterschiedliche Bewegungen animieren, oder mit ihm „Körperspielen“ würden, wäre das Pferd gesünder und zufriedener als mit komplizierten Bewegungen, mit denen zwar der Mensch beschäftigt ist – aber weder für Mensch noch für das Pferd zu einer durchlässigen Bewegungsfähigkeit beitragen.

Die Kunst der kleinen Schritte

Die Prozesse im Pferdekörper gehen den „Weg der kleinen Schritte“. Bewegungen werden zusammengeführt und verknüpft, weil dabei die „Freude an der kleinen Bewegung“ mitarbeitet. Klein anfangen und bis zur Vollkommenheit ausführen. Bewegungen zelebrieren und am besten gemeinsam mit dem Menschen – die Belohnung für all die kleinen Bewegungen, die den Körper letztendlich in „große Bewegungen“ führen, ist das Lächeln auf dem Gesicht von Pferd und Mensch.

Eine gute Bewegung lässt sich nicht festhalten (Achtung Wortspiel)

Die Beobachtung und Erfahrungen, die ich in den vergangenen Jahren machen konnte, ist dass die Menschen und Reiter wirklich sehr viel über das Reiten wissen und darüber ausführlich diskutieren – sicherlich viel, viel mehr als noch vor 100 Jahren. Ich glaube allerdings, heute ist es wichtiger, die eigene Energie in etwas anderes zu investieren und dass wir wieder beginnen vom Pferdekörper, seinen Funktionen, Signalen und Zeichen zu LERNEN…

…für manche wird das fast einem Neubeginn gleichkommen – aber es ist DIE Chance des Menschen, die notwendigen Veränderungen und Körperprozesse des Pferdekörpers aktiv zu gestalten, ohne in ihn einzugreifen und gleichzeitig die lebenswichtigen Veränderungsprozesse positiv zu gestalten. Das bedeutet auch: nicht sich von negativen Veränderungen und noch negativeren Auswirkungen hilflos überrollen zu lassen.

Lesen Sie weiter – die „Checkliste“ des Pferdekörpers