Beibringen

Der Mensch hat zwei Möglichkeiten, den Pferdekörper zu verändern. Dem Pferdekörper kann etwas beigebracht werden (wahlweise die Verwendungsidee, bei der der Mensch über das Pferd entscheidet, wie es sich bewegen soll. Wie zum Beispiel im Springen, in der Dressur in den verschiedenen Ausprägungen, Zirkuslektionen, Gehorsam, Kutsche ziehen etc.). Damit verändert sich der Pferdekörper, oder er wird bewusst und gezielt vom Menschen verändert. Am Beispiel der  Dressur, was ja nichts anderes heißt, wie den Körper in eine gewünschte Form zu bringen, sieht man was der Mensch vorhat. Die Formung des Pferdekörpers hat er jahrhundertelang mehr oder weniger geschickt gemacht. Von der eigenen Bewegung im Körper des Pferdes ist da leider nie die Rede.

Die andere Möglichkeit ist, dass der Pferdekörper seine Veränderung selber erlernen kann. Die stetige Veränderung, Anpassung des eigenen Körpers an seine Umweltbedingungen und an die Lebewesen, die ihn umgeben, ist sowieso im Pferdekörper genetisch festgelegt und eine wichtige Voraussetzung zu seinem gesunden Überleben. Man nennt das dann eine biomotorische oder biologische Bewegungsentwicklung. Wenn der Mensch in diesen Prozess einsteigen möchte, muss er die Regeln des Pferdekörpers befolgen und die Bedingungen zur Bewegung verändern, und nicht die Bewegung selbst, um nicht in das Körpersystem einzugreifen.

 Ehrlich gesagt

Wenn man ehrlich ist, was will der Mensch auch einem Lebewesen mit hochfeinen Sinneswahrnehmungen, super empfindsamen Körperreaktionen, schon beibringen? Und als wenn das nicht schon ausreichen würde, mit einem elastischen Hochleistungsbewegungskörper ausgestattet ist. Gerade der Mensch, der mit zunehmender Technisierung seine eigene Bewegungsfähigkeit augenscheinlich eingebüßt hat?

Denn die Realität, die uns wirklich umgibt, sieht anders aus! Das ist dann auch kein Wunder, das sich in den Reitschulen, das „Reiten“ lernen darauf bezieht, den Menschen auf Bewegungsabläufe zu programmieren, die der Pferdekörper in bestimmten Abläufen ausführen muss. Er erlernt die Nutzung von Techniken und von Zwangsmitteln, die dem Menschen dabei „helfen“, denn allein mit seinem Körper kriegt er noch nicht mal eine mehr oder weniger bewusste Formung hin. Ein Armutszeugnis für den Menschen auf ganzer Linie.

Ich weiß, das sind harte Worte. Aber wegschauen macht eben keinen buchstäblichen „Sinn“ für das Pferd. Denn wenn ich dann in die verschiedenen Ställe schaue, in denen festgehaltene Reiter, erstarrt und eingefroren in ihren Bewegungen (meist auch in ihrem Lächeln) ihren Pferden wie besessen Springen, oder Dressur – Bewegungen, Gehorsam oder neckische Spielchen beibringen wollen, an denen nur der Mensch Freude hat, zeigt spätestens dann die Realität ihr wahres, ungeschöntes Gesicht. Eine tiefe Verbindung zum Freund Pferd sieht anders aus. Gerade eine „Freundschaft“ sollte nicht mit Zwangsmitteln aufgerüstet werden, vor allem, wenn man auch so viele andere Möglichkeiten hat, die die körperlichen Bedürfnisse von beiden „befriedigen“ könnten.

Wenn man sich weiter vorstellt, dass das Pferd zu seinem angeborenen „Körperlernen“ den Körper des Menschen von Kopf bis Fuß in Bruchteilen von Sekunden „scannt“ – dann wird die Verzweiflung des Pferdes spürbar und sogar greifbar. Denn was das Pferd „sieht“ und nach was er den Menschen beurteilt – und beurteilen muss ist die Vertrauenswürdigkeit des Menschen und die Sicherheit die das Pferd durch die Bewegungsfähigkeit beim Menschen erwarten kann. Dieser „Blick“ des Pferdes ist sein genetisches Erbe als ausgeprägte Gruppenwesen und hat sein Überleben gesichert.

Nach einem Blick in den Spiegel müsste auch der Mensch wissen, was er seinem Pferd beibringen kann. Ich will ihnen ja nicht zu nahetreten, aber die Reiterei ist nun einmal der Austausch mit einem anderen Lebewesen. In jedem Sport, in jeder Kunst wissen sie, dass sie „dranbleiben“ müssen – mit dem Wissen, „von nicht kommt nichts“. Nur in der allerhöchsten Disziplin – ich muss es nochmal betonen – im körperlichen Austausch mit einem anderen Lebewesen, glaubt der Mensch sich auf Technik und Mechanik verlassen zu können.

Übertragen Sie das doch mal bitte gedanklich aufs Skifahren, Ballettanzen, Klavierspielen, Malen – bei alledem würden sie jämmerlich versagen, wenn sie nicht ihren ganzen Körper in diese „Kunst“ einweihen. Wenn ihr Körper nicht die Bewegungen atmen kann, die er ausführen will. Nur beim Pferd – beim Pferd ist es anders. Denn wenn wir ein Pferd reiten, kann ja das Pferd „dank“ seiner großen Anpassungsfähigkeit unsere „Unzulänglichkeiten“ ausbügeln und damit unsere Rechnung teuer bezahlen.

Wer den biomotorischen Weg gehen möchte, muss sich deshalb von der Idee verabschieden, dem Pferdekörper auch nur irgendetwas beibringen zu können, um ihn damit zu verändern. Ein Auto kann auch nicht mit einem fremden Ersatzteil gefahren werden – zumindest nicht lange. Das ganze System des Autos, das ja auch in sich und nach „außen“ miteinander verbunden und verzahnt ist, würde  zusammenbrechen. Beim biologisch „funktionierenden“ Pferd ist der Prozess des Zusammenbrechens dagegen schleichend. Leider!

Wenn wie beim Auto auch beim Pferd immer die Warnleuchte aufleuchten würde, wenn über das Limit gefahren wird, das Benzin alle ist oder zu viel Öl eingefüllt wurde usw. usw. würden glaube ich viele Probleme des Pferdes einfacher werden. Wer deshalb den biomotorischen Weg mit seinem Pferd gehen möchte, sollte selber dazu bereit sein, umzudenken.